Keine Ermittlungen gegen NSA?

Generalbundesanwalt kündigt »Erklärung« an / Opposition empört über Grundrechtsbruch

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen die flächendeckende Überwachung der Bürger in Deutschland durch US-Geheimdienste soll es keine Ermittlungen geben. Wie Medien berichten, plant der Generalbundesanwalt eine Erklärung.

Die Opposition hat sich empört über Berichte gezeigt, denen zufolge die Bundesanwaltschaft keine Ermittlungen wegen der massenhaften Bespitzelung von Bürgern durch die Geheimdienste NSA und GCHQ einleiten will. Dies wäre ein »beispielloser Akt der Rechtsbeugung«, sagte Linksparteichef Bernd Riexinger. »Damit würde amtlich festgestellt, dass die größte Grundrechtsverletzung in der Geschichte der Bundesrepublik juristisch unaufgearbeitet bleibt.« Riexinger forderte die Bundesregierung auf offenzulegen, ob im Hintergrund Druck zur Einstellung der Ermittlungen ausgeübt wurde. Die Bundestagsvizepräsidentin und Linken-Abgeordnete Petra Pau sagte im Kurznachrichtendienst Twitter, würden sich die Berichte über das Nicht-Vorgehen des Generalbundesanwalts bestätigen, so verlasse dieser »den Boden des Grundgesetzes«. Ihr Fraktionskollege und Innenexperte Jan Korte sprach von einem »rechtsstaatlichen Offenbarungseid des Generalbundesanwalts«.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele teilte am Mittwoch mit, er habe beantragt, den Generalbundesanwalt in den Rechtsausschuss des Bundestages zu laden. Dieser solle »dort sein Tun rechtfertigen«. Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, stellte am Mittwoch im Gespräch mit »Spiegel Online« Ranges Anhörung vor dem Gremium in Aussicht.

Auch Netzaktivisten kritisierten den bisher nicht offiziell bestätigten Verzicht des Generalbundesanwalts auf ein Ermittlungsverfahren scharf und kündigten rechtliche Schritte an. Auf Empörung stieß vor allem die Begründung, es gebe keine Möglichkeit, an belastbares Material über die Aktivitäten der anglo-amerikanischen Geheimdienste in Deutschland zu kommen. »Wie will der Generalbundesanwalt denn das wissen, wenn es noch nicht einmal Ermittlungen gegeben hat«, sagte die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz. Der Club hatte wegen der Ausspähung Strafanzeige gestellt. Man warte die Zustellung der Entscheidung ab und werde dann Rechtsmittel einlegen, sagte Kurz.

Auch der Verein Digitalcourage, der ebenfalls Anzeige erstattet hatte, berät nach eigenen Angaben über Rechtsmittel. Der Referent des Vereins Digitale Gesellschaft, Volker Tripp, erklärte, mit dem Zeugen Edward Snowden und die durch ihn offengelegten Dokumente seien ergiebige Beweismittel greifbar. »Angesichts dessen einen Anfangsverdacht zu verneinen, ist entweder Realitätsverweigerung oder Rechtsbeugung.«

Zuvor hatten »Süddeutsche Zeitung« sowie WDR und NDR unter Berufung auf Behördenkreise berichtet, dass die Bundesanwaltschaft keine Möglichkeiten sehe, an belastbares Material über die Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA und des britischen Geheimdienstes GCHQ zu kommen. Die Anklagebehörde in Karlsruhe hatte zwei Vorwürfe geprüft: Einer betraf das massenhafte Ausspähen der Bürger in Deutschland, der andere den konkreten Vorwurf, dass jahrelang ein Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört wurde.

In einer Stellungnahme teilte der Generalbundesanwalt der dpa mit, es werde bald eine Entscheidung bekanntgegeben, in der auch die wesentlichen Gründe dafür dargelegt werden. Bislang hätten einer abschließenden Bewertung noch einige offene Anfragen und Abklärungen entgegengestanden. Dazu gehörte auch die Frage, ob die große Koalition einer Befragung von Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden in Berlin zustimmen werde. Die Regierung hatte das Anfang Mai abgelehnt.

Auch mehrere Bürgerrechtsgruppen hatten Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gegen die Bundesregierung und Geheimdienstmitarbeiter erstattet. Die Internationale Liga für Menschenrechte, der Chaos Computer Club und der Verein Digitalcourage werfen der Bundesregierung und den hiesigen Geheimdiensten vor, mit der NSA zusammengearbeitet und Daten weitergegeben zu haben. Mit Agenturen

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