nd-aktuell.de / 30.05.2014 / Politik / Seite 10

Unerlaubte Ausleihe im städtischen Betrieb

Grünpfleger in Hanau zogen erfolgreich vors Arbeitsgericht / Lohnnachzahlungen kommen nun auf die Stadt zu

Fritz Arndt, Hanau
Die hessische Stadt Hanau verleiht Gärtner der tariflosen städtischen Hanau Grün GmbH an sich selbst. Jetzt gab es einen Dämpfer vom Arbeitsgericht Offenbach.

Der Name der Hanauer Grün GmbH ist sinnig gewählt: Ihr Standort liegt im Stadtteil Rosenau und ist von Gärten und grünen Wiesen umgeben. Doch wer das städtische Unternehmen unter der offiziellen Adresse in der »Theodor Fontane-Straße 24« sucht, hat Pech. Die Firma, ein städtisches Kunstprodukt zum Zwecke der Lohndrückerei, ist unauffindbar. Stattdessen weist ein Firmenschild den ebenfalls städtischen Eigenbetrieb »Hanau Infrastruktur Service Grünflächen (HIS)« aus.

Recht unübersichtlich, das Hanauer Firmenkonstrukt aus stadteigenen Firmen und Subunternehmen. Doch was auf den ersten Blick nach Chaos aussieht, ist in Wirklichkeit System zur Lohndrückerei: Die rund 20 Beschäftigten der Hanau Grün GmbH, die im Stadtgebiet Grünanlagen mähen, Spielplätze in Ordnung halten und Friedhöfe pflegen, werden nämlich zu deutlich niedrigeren Löhnen bei längerer Arbeitszeit an die tarifgebundene städtische HIS ausgeliehen.

Dass HIS-Betriebsleiter Bernd Lenz auch als Geschäftsführer der Grün GmbH fungiert, kümmert die Stadt wenig. »Der Geschäftsführer macht Verträge mit sich selbst«, spottet hingegen der Hanauer ver.di-Sekretär Heinz Gröning.

Die Beschäftigten der Hanau Grün GmbH verlieren nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft auf diese Weise jeden Monat rund 450 Euro und müssen auch noch eine Wochenstunde länger arbeiten. Dabei arbeiten sie mit den Kolleginnen und Kollegen der städtischen HIS in den gleichen Arbeitstrupps zusammen, leisten die gleiche Arbeit wie sie. Für die Stadt Hanau ist das ein lohnendes Geschäft - auch wenn sie jeden Monat an die Hanau Grün GmbH Gebühren überweisen muss: 2100 Euro beträgt die Grundgebühr, weitere 2500 Euro fallen als »Geschäftsbesorgungspauschale« an. Und obendrauf natürlich die - gedrückten - Lohnkosten.

Doch inzwischen ist im Hanauer Rathaus die Stimmung getrübt. Das zuständige Offenbacher Arbeitsgericht hat nämlich den Klagen von fünf Beschäftigten der Grün GmbH stattgegeben: Sie müssen rückwirkend zum 1. Dezember 2011 als Beschäftigte der Stadt Hanau nach Tarifvertrag bezahlt werden, und selbstverständlich auch in Zukunft. Die städtischen Spezialisten für Lohndrückerei hatten nämlich übersehen, dass die Grün GmbH gar keine Lizenz zur Arbeitnehmerüberlassung besessen hatte; und obendrein auch die seit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) im Jahr 2011 geltende Pflicht, die Entgeltbedingungen des Entleihers anzuwenden (Paragraf 16,1,7a AÜG). Die Arbeitsverträge der Kläger mit der Grün GmbH seien daher ab dem 1. Dezember 2011 »unwirksam«, entschieden die Offenbacher Arbeitsrichter, die Grün-Beschäftigten mithin Beschäftigte der Stadt Hanau.

Nach Berechnung von ver.di in Hanau hat das zur Folge, dass die städtische Hanau Grün GmbH mindestens 15 000 Euro an jeden Kläger und jede Klägerin nachzahlen und künftig den Tarifvertrag anwenden muss. »Möglicherweise«, vermutet die »Frankfurter Rundschau« inzwischen, »muss Oberbürgermeister Claus Kaminsky seinen Stellenkürzungsplan revidieren, weil die Stadt Hanau Leute einstellen muss«.

Für den SPD-Oberbürgermeister wäre das ein ziemliches Desaster. Sieht der zusammen mit den Grünen verabschiedete Haushalt doch vor, neben der Kürzung von Entgeltanteilen auch in den kommenden zehn Jahren 200 Stellen abzubauen. »In Zeiten des Rettungsschirms unumgänglich«, glaubt Kaminsky.

Anscheinend will die Stadt Hanau um jeden Preis ihre Sparerei auf dem Rücken der Beschäftigen durchziehen: Sie hat gerade Berufung gegen das Offenbacher Urteil eingelegt - diesmal sollen es gestandene Arbeitgeberanwälte richten. Gleichzeitig setzt sie die Beschäftigten unter Druck. »Sie wurden jetzt in separate Arbeitsgruppen gesteckt und stehen unter besonderer Beobachtung«, weiß ver.di-Sekretär Gröning, »man wartet auf Fehler.«

Die bei der Hanau Grün GmbH Beschäftigten wehren sich auf ihre Weise: Drei weitere Kolleginnen und Kollegen haben sich inzwischen an ihre Gewerkschaft am Freiheitsplatz gewandt und wollen klagen.