nd-aktuell.de / 02.06.2014 / Politik

Badminton mit den Taliban

Emran Feroz
Die einen werden Opfer von Folter, der andere lernt Paschto, feiert Weihnachten und spielt Federball. Emran Feroz über die Freilassung von Bowe Bergdahl und die Frage, wer hier eigentlich die Barbaren sind.

Zwischen der US-Regierung sowie den afghanischen Taliban kam zu einem spektakulären Gefangenen-Austausch. Nach monatelangen Verhandlungen wurde Bowe Bergdahl – der einzige offiziell vermisste US-Soldat aus dem Afghanistan-Krieg – gegen fünf hochrangige Taliban aus Guantanamo eingetauscht. Während Bergdahl in der ostafghanischen Provinz Chost von einer US-Spezialeinheit in Empfang genommen wurde, wurden die fünf Guantanamo-Insassen in die Obhut Katars übergeben.

Die arabische Golfmonarchie spielte als Vermittler zwischen den Akteuren eine wesentliche Rolle. Das offizielle Taliban-Büro in Doha, welches vorübergehend für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen war, öffnete für den Befreiungstag seine Pforten, um die Kumpanen gebührend zu empfangen. Während weltweit die Bilder eines bärtigen Bergdahls, der neben US-Präsident Obama erleichtert lächelt, die Runde machten, machten auch die Taliban wieder einmal medial auf sich aufmerksam. Unter anderem verbreitete Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahed Fotos der befreiten Extremisten, die allem Anschein nach ebenfalls erleichtert zu sein schienen.

Der Grund hierfür ist wohl offensichtlich. Die alltägliche Folterpraxis in Guantanamo ist kein Geheimnis mehr. Man kann davon ausgehen, dass alle Gefangenen Opfer von Waterboarding und anderen Foltermethoden wurden – das volle Programm eben. Währenddessen hatte Bowe Bergdahl einiges zu berichten, was sowohl interessant als auch überraschend ist. In den vergangenen fünf Jahren seiner Gefangenschaft wurde der US-Soldat nämlich alles andere als schlecht behandelt. Berichten zufolge half er beim Kochen, trank gerne afghanischen Grüntee und diskutierte immer wieder mit seinen Kidnappern. Bei diesen Diskussionen ging es vor allem um den Islam, das Christentum sowie die US-Besatzung in Afghanistan.

Bowes Aussagen zufolge sollen die Taliban immer wieder versucht haben, ihm den Islam näher zu bringen, sprich, die Religion für ihn schmackhaft zu machen. Da Bowe jedoch ein gläubiger Christ ist, zog er es vor, lieber weiterhin Ostern und Weihnachten zu feiern. Dies machte er den Extremisten auch deutlich, was diese wiederum – für manche mag das überraschend klingen – tolerierten und akzeptieren. Christliche Feiertage durfte Bowe problemlos feiern. Einige Kämpfer sollen auf eine gewisse Art und Weise sogar »mitgefeiert« haben.

Während seiner Gefangenschaft war Bowe auch sportlich aktiv. So soll er unter anderem gemeinsam mit den Taliban Badminton gespielt haben. Einige Taliban-Kämpfer meinen heute, dass er das Spiel regelrecht geliebt habt. Abgesehen davon spricht Bowe heute die afghanischen Amtsprachen – Dari und Paschto – fließend. Einigen Berichten zufolge hat er die englische Sprache sogar teilweise verlernt. Für einige ist dies jedoch das kleinste Problem. Während in Doha die Freude der Taliban groß ist, hört man in Washington immer mehr kritische Stimmen. Vor allem das republikanische Lager um US-Senator John McCain werfen Obama vor, mit Terroristen verhandelt zu haben. Desweiteren bezeichnen einstige Weggefährten Bergdahls diesen als »Deserteur« und »Verräter«, der während des Gefechts zum Feind übergelaufen ist und auf dessen Kosten zahlreiche US-Soldaten den Tod fanden. Bergdahl selbst scheinen diese Vorwürfe vorerst nicht zu interessieren. Gegenwärtig befindet er sich in Landstuhl. Im dortigen US-Militärspital soll er medizinisch betreut werden.

Nichtsdestotrotz ist es erwähnenswert, wie unterschiedlich die Gefangenschaft beider Parteien ablief. Während in Guantanamo aufs Schlimmste gefoltert wird, Menschenrechte gebrochen werden und manchmal sogar Koran-Bücher brennen, hatte ein Bowe Bergdahl teils unvorstellbare Freiheiten. Dass diese »menschliche« Seite der afghanischen Aufständischen, die eben nicht permanent eine AK47 tragen, sondern hier und da auch gerne zum Badminton-Schläger greifen, nicht in die Berichterstattung des westlichen Medien-Mainstreams passt, ist nichts Neues. Immerhin muss das Bild des »wilden Barbaren«, der bekämpft werden muss, gewahrt bleiben.