Ein Virus als blinder Passagier

Indonesische Behörden raten Pilgern, besser nicht nach Mekka zu reisen

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
In Südostasien geht die Angst vor dem MERS-Coronavirus (MERS-CoV) um. Wie berechtigt sie ist, zeigt ein erster Todesfall in Malaysia.

In Indonesien gab es bereits eine Reihe von Krankheitsverdachtsfällen durch das MERS-Virus sowie ungeklärte Todesfälle unter Rückkehrern aus Saudi-Arabien. Auch in Malaysia, Thailand und auf den Philippinen wurden erste Fälle gemeldet.

Als mehrheitlich muslimische Länder haben Indonesien, Malaysia und Brunei enge wirtschaftliche und religiöse Beziehungen zu den arabischen Ländern. Fromme Muslime pilgern zu den heiligen Stätten in Saudi-Arabien. Das Land ist der Ursprungsort von MERS-CoV. Zudem wird Südostasien unter Touristen aus dem Nahen Osten immer beliebter. Zehntausende arabische Muslime reisen nach Malaysia oder Indonesien, um die Annehmlichkeiten eines moderateren Islam zu genießen. In den Amüsier- und Rotlichtvierteln von Bangkok und Pattaya sind ganze Straßenzüge in der Hand arabischer (Sex)Touristen. Singapur hat als Finanzmetropole enge Beziehungen zu arabischen Staaten. Ob Tourist, Pilger oder Geschäftsreisender, die Gefahr ist groß, den Virus als blinden Passagier mitzunehmen.

MERS-CoV steht für Middle East Respiratory Syndrome und weist auf den Nahen Osten als Ursprungsort des Erregers hin. Wie einstmals das aus Asien stammende SARS verursacht auch MERS-CoV schwere Infektionen der Atemwege. MERS-CoV kann zudem zu Nierenversagen führen.

Das MERS-CoV wurde erstmalig 2012 in Saudi-Arabien entdeckt. Weltweit wurden bisher laut Europäischem Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten rund 500 MERS-CoV-Fälle gemeldet, von denen etwa 30 Prozent tödlich verlaufen waren. Neben arabischen und asiatischen Ländern ist MERS-CoV in Afrika, den USA und Europa aufgetreten. In Deutschland gab es zwei Fälle, von denen einer tödlich endete.

Als Ursache einer MERS-Infektion wird der Kontakt mit Kamelen angesehen, obgleich der hundertprozentige Nachweis noch aussteht. »Es gibt noch kein klares Bild der Quelle«, heißt es auf einer MERS-Infoseite der WHO. Ob andere Tiere als Wirte in Fragen kämen, sei unbekannt. Gesichert ist, dass eine Übertragungen von Tieren auf Mensch sowie von Mensch zu Mensch stattfindet. Laut der WHO ist bei 75 Prozent der Erkrankungen eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung die Ursache der Infektion gewesen.

In Saudi-Arabien schrillen die Alarmglocken. Ende September findet die Hadsch statt, zu der Millionen Muslime nach Mekka und Medina pilgern. Menschenansammlungen waren schon immer ein Brutherd für Infektionskrankheiten. Auch außerhalb der Hadsch wird nach Saudi-Arabien gepilgert. Umra oder auch kleine Hadsch heißt die Wallfahrt, die man das ganze Jahr lang unternehmen kann und die in Allahs Augen fast genauso wohlgefällig ist wie die Hadsch.

Zum Schutz vor dem lebensgefährlichen MERS-Coronavirus empfiehlt Malaysias Gesundheitsministerium Umra-Pilgern dringend einen Mundschutz. In Indonesien raten Behörden zur Verschiebung von Pilgerreisen nach Mekka und Medina, bis mehr über die Ursachen des MERS-CoV-Ausbruchs bekannt ist. Mit 200 Millionen Muslimen ist der Inselstaat das Land mit dem größten islamischen Bevölkerungsanteil. Es gibt derzeit weder ein Medikament noch einen Impfstoff gegen MERS-CoV. Nicht auszudenken, was passiert, wenn sich MERS-CoV in Indonesien ausbreitet.

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