nd-aktuell.de / 06.06.2014 / Kultur / Seite 14

Der Weg eines Thunderbird von Sizilien bis Dachau

Alex Kershaw erzählt die Geschichte eines US-amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg

Nora Goldenbaum

Alte »Willys«, die Jeeps der US-Army im Zweiten Weltkrieg, fahren derzeit die Strände der Normandie auf und ab. Darin lachende Veteranen, Fähnchen schwingend und mit Käppis auf ergrautem Haupt. Es sind ihrer nicht mehr viele, und für viele von ihnen ist es das letzte Mal, dass sie bei einer D-Day-Feier dabei sind. Felix Sparks ist nicht unter ihnen. Der 1917 in einer Bergarbeiterfamilie in Arizona geborene General starb 2007. Alex Kershaw, ein gebürtige Engländer, der in Massachusetts lebt, hat sich auf dessen Lebensspur begeben. Er zeichnet ein berührendes Porträt und zugleich erschütterndes Panorama des letzten großen Krieges.

Sparks ließ sich nach der High School von der Armee anwerben, weil es zur Zeit der »Großen Depression« keine Arbeit gab. Nach dem Ende der Dienstzeit hatte er 3000 Dollar gespart und konnte studieren, aber das Studium nicht beenden. »Im Juli 1940 hatten die Nazis den größten Teil Europas unter ihrer Knute.« Die USA treten zwar erst über ein Jahr später, nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor, in den Krieg ein, doch den Einberufungsbrief erhält Sparks bereits im September 1940. Das Motto des Regiments, in dem er dienen soll, lautet: »Freudig zum Einsatz«. Sparks ist bereit, seine Pflicht zu erfüllen, aber von freudig kann nicht die Rede sein. Er muss Mary in der Heimat zurücklassen. Mit der 45. Infanteriedivision, nach ihrem Symbol, einem Sturmvogel, als »Thunderbird«-Division bekannt, gelangt er nach Nordafrika. In Oran verkündet General Patton: »Meine Herren, in wenigen Tagen werden wir erstmals das europäische Festland erreichen. Die meisten von ihnen waren noch nie im Gefecht, und Sie haben vielleicht Angst. Doch haben Sie keine Angst!« Der Bezwinger Rommels bei el-Alamein ergänzt: Wenn sich die Italiener und Deutschen ergeben wollen, sollen die Thunderbirds die Kapitulation annehmen, falls nicht, »die Bastarde töten«. Patton leitet zusammen mit dem ebenso schillernden wie umstrittenen britischen General Montgomery die »Operation Husky«, die Landung auf Sizilien am 10. Juli 1943. Bei »Overlord« im Jahr darauf ist Patton nicht dabei, weil er in Italien einen Soldaten ohrfeigte und nach heftiger Kritik in der US-Presse von seinem Kommando entbunden wurde. Im April 1945 lässt Patton, geschockt vom Bild, das sich ihm im KZ Buchenwald bietet, tausend Weimarer durchs Lager führen.

Als Sparks und seine Kameraden in Italien im Sommer ’43 als Befreier empfangen werden, wissen sie nicht, was noch vor ihnen liegt. Die Schlacht von Anzio überlebt Sparks als einziger seiner Einheit. Er übersteht auch die Ardennenoffensive und den Häuserkampf in Aschaffenburg, wo der »Volkssturm« die US-Army aufzuhalten versucht. Kershaw beschreibt die Grausamkeit des Krieges; Kriegsverbrechen wurden auf beiden Seiten begangen. Er schildert den Alltag der Soldaten, deren stetiger Begleiter Todesangst, Heimweh, Hass sowie das Erstaunen wie das Schuldgefühl des Überlebens sind. Colonel Sparks versucht, im unmenschlichen Krieg menschlich zu bleiben und auch die Männer, die unter seinem Kommando stehen, zu Menschlichkeit zu ermutigen. Indes, wie soll das gelingen, vis-à-vis mit SS-Männern im Mörderlager Dachau? In einem Interview viele Jahre später sagt Sparks, nunmehr General: »Der Krieg kann einem eine ziemlich schlechte Meinung über die Menschheit vermitteln. Ich habe eine hohe Meinung von der Menschheit, aber manchmal machen wir wirklich dumme Sachen.«

Kershaw schrieb ein Antikriegsbuch im besten Sinne.

Alex Kershaw: Der Befreier. Die Geschichte eines amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. dtv, München. 470 S., geb., 24,90 €.