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Die Generation Malente

Das Fußballmagazin »11 Freunde« versteht sich auf Wehmut - und Humor

  • Lukas Wilhelmi
  • Lesedauer: 3 Min.

Günter Hetzer ist von den Toten auferstanden. Für ein paar Ausgaben war er nicht mehr. Doch seine Jüngerschaft aus Leserbriefschreibern und Traditionalisten hat ihn zurück ins Leben geholt, auf die letzte Seite des Magazins »11 Freunde«, das mittlerweile mehr als 150 Mal erschienen ist.

Günter Hetzer ist die Erfindung von Philipp Köster, der das Heft im Jahr 2000 zusammen mit dem Fotografen Reinaldo Coddou entwickelte. Am englischen Vorbild »When Saturday comes« orientiert und der Arbeitserfahrung bei Fanzines wie »Um halb vier war die Welt noch in Ordnung« abgepresst. Köster, Jahrgang 1972, hatte dieses in seiner Heimatstadt Bielefeld in den Fanblock gebracht. Die im Titel wuchernde Wehmut, gepaart mit jenem unbändigen Anspruch auf trotzigen Humor, der dem Arminia-Fan eigen ist, gehört auch zur 11-Freunde-DNA: vom süffisant gehaltenen Vorwort über die Grabbelkiste an Kuriosem, die vom altbewährten Bei-der-Geburt-Getrennt-Witz (Klassiker: Jogi Löw und eine schwarzhaarige Playmobilfigur) bis zur Zitatesammlung (Oliver Reck: »Zu meiner Frau habe ich ein Vater-Sohn-Verhältnis«) reicht.

Der Untertitel »Magazin für Fußballkultur« ist weniger eine thematische Eingrenzung als eine Verschreibung zum flächendeckenden Artenschutz. Nicht selten gibt es kleine Spitzen in Richtung der zahlengeblendeten, nun ja, Fachpresse, sowie des elitenhörigen Boulevards, der den Guardiolas dieser Welt nicht nur jede Schwerer-Gegner-gute-Grundordnung-Phrase von den Lippen abliest, sondern ihnen mittlerweile sogar die Seidenschals nachkauft. Dass aber dieser Blickwinkel nicht in Verkrampfung und Rechthaberei umschlägt, ist die große Stärke der Marke »11 Freunde«.

Bei Günter Hetzer, der mit seiner mehr oder weniger überzeichneten und mehr oder weniger angetrunkenen Entourage durch Ereignisse des Fußballlebens zieht, fließt dies alles zusammen. Die Gruppe entspringt der Generation Malente. Das war das mythenumwobene WM-Quartier 1974, das mit den heutigen Hochglanzpalästen des interviewgeschulten Nationalmannschaftszuges gar nichts mehr zu tun hat. Dem gegenüber stehen die Streber - Philipp »Der Kapitän« Lahm finden wir regelmäßig am »Fever Fun«-Stand - und die Promoprotzer vom Bezahlfernsehen, die auch bei schönstem Wetter immer im Schneeurlaub sind.

Was konstant bleibt bei »11 Freunde«, nicht zuletzt Online-Auftritt mit seinem Grimme-Preis-geadelten Live-Ticker als Zugpferd, ist der Ton. Dieser ist meist gemütlich, ohne dabei ins Kuschelige, also Banale abzukippen. Er ermöglicht Interviews wie jenes mit Robert Enke aus dem Jahr 2008 (85). Darin wählte der Torwart spektakulär ehrliche und einfache Worte für seinen Umgang mit Sport, sich selbst und vor allem den Medien. Eine Einzigartigkeit, die auch Ronald Reng in seiner post mortem geschriebenen Enke-Biografie herausgestellte.

Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Die erste 11-Freunde-Ausgabe wurde von Köster und Coddou noch händisch vor dem Berliner Olympia-Stadion verkauft (Auflage: 200, davon acht verkaufte Hefte). Jetzt lädt das 11-Freunde-WM-Quartier bereits zum wiederholten Male zum Public Viewing. »Fever Fun« wird dort wohl nicht ausgeschenkt.

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