nd-aktuell.de / 07.06.2014 / Politik / Seite 6

Niemand schlittert in einen Krieg

Rainer Braun über das «Peace Event» der internationalen Friedensbewegung

Das «Peace Event” in Sarajevo ist eines der größten Treffen der internationalen Friedensbewegung im Weltkriegsgedenkjahr 2014. Viele Workshops sind geplant – aber es gibt auch Diskussionen über die Finanzierung des Treffens.

nd: Das »Peace Event« in Sarajevo ist im Weltkriegs-Gedenkjahr 2014 nach eigener Darstellung das größte Treffen dieser Art weltweit. Was passiert während der vier Tage?
Braun: Zunächst gibt es das internationale Jugendcamp mit mehr als 300 Jugendlichen. Wir veranstalten rund 190 Workshops, die sich mit allen uns auf den Nägeln brennenden Friedensfragen beschäftigen: Versöhnungsprozesse, Abrüstung, aber auch die Lage in der Ukraine und Syrien. Es wird Ausstellungen und Aktionen in der ganzen Stadt geben. Ein Höhepunkt ist das Solidaritäts- und Friedenskonzert, dessen gesamte Einnahmen den Flutopfern in und um Sarajevo zugute kommen werden.

Was macht Sarajevo zum geeigneten Ort für ein Friedensereignis?
Das Attentat von Sarajevo wird weltweit als Auslöser des Ersten Weltkrieges angesehen. Wir sind aber weder in diesen Weltkrieg hineingeschlittert noch hineingeschlafen, sondern er war ein politisch bewusst herbeigeführter Akt, um die weltweiten Großmachtverhältnisse neu zu tarieren. Auch die Kriege nach dem Zerfall Jugoslawiens in den 90er Jahren mit den großen Zerstörungen, aber auch mit dem, was sie in den Köpfen, Gehirnen und in den Herzen der Menschen angerichtet haben, sind hier noch sehr präsent.

Während der Jugoslawien-Kriege versagte Europa. Welche Rolle spielt der Kontinent für den Frieden heute?
Wir setzen uns sehr kritisch mit der Rolle Europas auseinander. Mit dem erstarkten Rechtsradikalismus ebenso wie mit der Militarisierung. Dazu gehört auch die »Festung Europa«, die wir selbst zugespitzt erlebt haben mit der Nichtausstellung von Visa für Kolleginnen und Kollegen, die wir aus Afrika eingeladen haben.

Auf der Spenderliste für das »Peace-Event« findet sich neben Ministerien auch die USAID, eine US-Behörde für internationale Entwicklung. Sind das die richtigen Geldgeber?
Wir bekommen Gelder von mehreren Regierungen, der finnischen und der französischen. Und über die deutsche Botschaft auch von der Bundesregierung. Für uns ist das eine sinnvolle Verwendung von Steuergeldern. Und wir begrüßen es - im Sinne des Grundgesetzes -, dass die Bundesregierung bereit war, die Veranstaltung, auf deren Inhalt sie keinen Einfluss genommen hat, mit zu finanzieren. Es bleibt die Frage: Ist das meiste Geld der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht auch Regierungsgeld?

Und die Gelder der USAID, die stark in die Sicherheitsstrategie der USA integriert ist und in der Kritik steht, auch Spionage zu betreiben, die Privatisierung öffentlicher Sektoren in den Nehmerländern zu forcieren?
Alle hier aktiven Friedensgruppierungen und viele zivilgesellschaftlich engagierten Gruppen in Bosnien-Herzegowina und in den anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien leben davon, dass sie von der USAID oder der EU finanziell unterstützt werden. Wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen, müssen wir das akzeptieren. Teile der Gelder, die diese Gruppen bekommen haben, sind zum Beispiel über Druckkostenzuschüsse mit in die Finanzierung geflossen. Im Sinne der Transparenz haben wir dies auch benannt. Wir haben keine direkte Spende bekommen. Die inhaltliche Kritik an der USAID teile ich aber absolut.

Die Diskussion darüber ist also nicht vorbei?
Die Diskussion gab es schon während der Vorbereitung. Jede und jeder hat von dieser Unterstützung gewusst. Dabei ist die Unabhängigkeit des »Peace-Events« vom ersten bis zu letzten Augenblick gewährleistet. Es gibt zwei Komitees, beide tragen die alleinige Verantwortung für das Programm.