nd-aktuell.de / 11.06.2014 / Politik / Seite 7

Ukraine noch keine Vertrauenszone

Steinmeier sieht Bereitschaft zur Deeskalation bei Treffen der Außenminister in Petersburg

Irina Wolkowa, Moskau
Gehen auch die Auseinandersetzungen um die Ukraine weiter, mäßigt sich doch der Ton. Es wächst Hoffnung auf Krisenlösungen.

Er habe die »Bereitschaft von allen Seiten« gesehen, zu einer »Deeskalation« beizutragen, sagte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Dienstag im russischen St. Petersburg nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Russland und Polen, Sergej Lawrow und Radoslaw Sikorski. An die Stelle der Zuspitzung sei eine »neue Atmosphäre« getreten, erklärte Steinmeier vor Journalisten. Lawrow bestätigte, es seien ein Weg aus der Krise in der Ukraine sowie die Beziehungen Russlands mit EU und NATO besprochen worden.

Zuvor hatte Steinmeier gemahnt, der beginnende Dialog zwischen der ukrainischen und der russischen Führung dürfe auf keinen Fall »wieder entgleisen«. Steinmeier, Sikorski und Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatten schon Ende Februar in Kiew mit dem damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch von Russland mitgetragene Abmachungen erzielt. Sie sahen eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen von Parlament und Präsident vor.

Doch die Proteste auf dem Maidan eskalierten und zwangen Janukowitsch zur Flucht. Moskau spricht seither von einem Staatsstreich, bei dem der eigens dazu nach Kiew geflogene CIA-Chef John Brennan Regie geführt habe. Europa habe sich dem Druck aus Washington gebeugt, ebenso bei den Genfer Verhandlungen Mitte April. Hier suchten USA und EU, Russland und die Ukraine nach Wegen zur Deeskalation. Doch die damals getroffenen Vereinbarungen wurden gebrochen.

Nun soll eine Kontaktgruppe mit Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE unter Leitung der krisenerfahrenen Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini versuchen, die Gewalt zu stoppen und einen nationalen Dialog an Runden Tischen fortzuführen. Tagliavini leitete die Untersuchungen zum Kaukasuskrieg im August 2008, der Bericht bezeichnet Georgien als Aggressor.

Dass sich Petro Poroschenko bei der Ablegung des Amtseides am Wochenende an die Bewohner der Ostukraine auf Russisch wandte, sei ein gutes Zeichen. So jedenfalls sieht es Michail Surabow, Moskaus Botschafter in der Ukraine. Er vertrat Russland bei Poroschenkos Vereidigung und war erst kurz zuvor nach Kiew zurückgekehrt. Nach dem »Staatsstreich« im Februar war er abberufen worden.

Trotz gedämpfterer Töne hielt Russland auch bei den gestrigen Verhandlungen an Grundsätzen fest: Ein Waffenstillstand in der Ukraine müsse von Kiew ausgehen. Die Führung dort müsse mit den »Anhängern der Föderalisierung«, so Moskaus offizielle Sprachregelung für die prorussischen Separatisten, verhandeln. Russland sei keine Konfliktpartei.

Steinmeier und Sikorski sehen das nach wie vor anders. Der Durchbruch an der Newa scheiterte zudem daran, dass die Gasverhandlungen, die Russland und die Ukraine in Brüssel unter EU-Vermittlung führen, offenbar bislang erneut ohne nennenswerte Ergebnisse blieben.

»Leider haben wir keinen Schritt nach vorn gemacht«, überbrachte der ukrainische Energieminister Juri Prodan nach fast achtstündigen Gesprächen seine unfrohe Botschaft. Die Ukraine fordere für sich weiter einen Preis von 268,5 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas, erläuterte Minister Prodan. Russland ist bereit, statt der vertraglich vereinbarten 485 US-Dollar unter Bedingungen einen Rabatt von rund 100 US-Dollar zu gewähren. »385 US-Dollar - das ist natürlich ein Niveau, das uns nicht passt, weil es zum heutigen Tag kein gerechter Marktpreis ist«, sagte Prodan. Die Verhandlungen sollten fortgesetzt werden. Ein Moskauer Ultimatum, das die Begleichung von Schulden forderte, lief am selben Tage ab.

Für den berühmtem »Ruck nach vorn« könnte politisch wie wirtschaftlich eine Initiative sorgen, für die russische Experten schon sehr früh in der Krise warben: Eine »Zone des Vertrauens« zwischen Russland und Europa, zu der neben Georgien und der Ukraine auch der ewige EU-Kandidat Türkei gehören sollte.