nd-aktuell.de / 11.06.2014 / Kultur / Seite 14

Ein Bürger durch und durch

Richard Strauss 150

Irene Constantin

Es schwindelt einen selbst im Theatersessel. Turmhoch über der Bühne schleudert Elektra Hass und Rache aus sich heraus. Einen Opernbesuch später hebt sich die Welt aus den Angeln. Octavian sieht Sophie und Faninals Empfangszimmer ignoriert für einen Augenblick die Gesetze der Schwerkraft. Dann ist da noch die blutbeschmierte Salome oder Zerbinetta, die Kraft ihrer Koloraturen allem Irdischen entschwebt. Genial, exorbitant, das alles. »Bürgerlich« wäre das letzte Attribut, das einem dazu einfiele.

Bürger durch und durch und lebenslang war der vor 150 Jahren in München geborene Richard Stauss. Wohlhabend von Seiten der Mutter - Bier-Dynastie Pschorr -, ins Musikleben integriert von Seiten des Musiker-Vaters wurde seine musikalische Begabung früh gefördert. Mit 12 Jahren komponierte er sein offizielles opus 1.

Irgendwann in seinen jungen Kapellmeisterjahren kam Richard Strauss - am Ende des 19. Jahrhunderts fast zwangsläufig - auf die musikalische Spur Wagners und Liszts. Vor allem mit Wagners klangverschmelzend sinnlicher Orchesterbehandlung hatte er die Impulse für seine eigene Musiksprache gefunden. Die musikalische Moderne des 20. Jahrhunderts wurde seine Sache nie.

In durchaus karrierebewusst ausgewählten Kapellmeisterstellen in Meiningen, München, Weimar und wieder München dirigierte er vielfach Wagner und Liszt, natürlich auch die eigenen Werke. Spätestens nach seinen Tondichtungen »Till Eulenspiegel«, »Zarathustra« und »Don Quixote« war er eine europäische Berühmtheit und folgte einer Berufung als Hofkapellmeister nach Berlin. Es gab nur noch einen »höheren« musikalischen Posten: 1919 übernahm Strauss die Hofoper in Wien.

Seine bis heute meistgespielten Opern hatte er da bereits geschaffen. Nach Jugendwerken kam »Salome« mehr oder weniger unausweichlich auf ihn zu. Man spielte das Oscar-Wilde-Stück landauf landab. »Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht« - das Publikum sog es auf, ohne zu wissen, wohin sich dieses Prinzesschen noch versteigt. Das Dresdner Uraufführungspublikum von 1905 reagierte gemischt; Strauss selbst war der »Droge Oper« vollends verfallen, auch weil er 1900 seinen genialen Textdichter und Arbeitspartner Hugo von Hofmannsthal kennengelernt hatte. Gemeinsam schufen sie »Elektra«, dann, ganz anders »Rosenkavalier«, wieder anders »Ariadne auf Naxos« und schließlich die überbordende »Frau ohne Schatten«. Noch zwei Werke folgten bis zu Hofmannsthals Tod 1929.

Einer der nachfolgenden Textdichter war Stefan Zweig, dessen in fetten Lettern gesetzten Namen er auf dem Opernplakat zur Uraufführung der »schweigsamen Frau« 1935 durchsetzte. Soviel Widerstand gegen die Nazis musste sein. Ansonsten entschied er, politisch sowohl naiv als auch vollkommen unabhängig, immer als Künstler. Seinen hohen Posten im Musikwesen der Nazis war er bald wieder los, sein Weltruhm schützte ihn vor Repressalien. Richard Strauss starb 1949, nachdem er noch erleben konnte, wie seine geliebten Opernhäuser wieder zu spielen begannen.