Folge 48: ZIVI (Substantiv, der)

Lexikon der Bewegungssprache

  • Lesedauer: 2 Min.

Ganz, ganz unauffällig stehen sie in kleinen Gruppen am Rande einer Demonstration oder mischen sich darunter: Polizisten und Polizistinnen in zivil. Ihr Auftrag ist Beobachten, die Lage einschätzen, den Greiftrupps der BFE-Einheiten Hinweise geben oder einfach nur Informationen sammeln.

Nun ja, unauffällig ist dabei dann doch eine Definitionsfrage. Im Sinne von »man kann durchaus das Bemühen erkennen, irgendwie halbwegs ›szenig‹ auszusehen« trifft es zu. Doch das Gegenteil von gut ist nun mal gut gemeint. Und so muss mensch konstatieren, dass vor allem die männlichen Vertreter der Gattung Zivi sich doch deutlich vom protestierenden Linken abheben: Älter als der Durchschnitt, oft zu groß, meistens zu breit, eigentlich immer mit zu brathähnchenfarbenen Teint und Hüfttasche vorne tragend. Bei dieser Kombination ist der Knopf im Ohr noch das geringste äußerliche Glaubhaftigkeitsproblem.

Um so ärgerlicher und Selbstzweifel schürend ist es da, wenn mensch in Ausübung des Journalistenberufs bei einer Demonstration von jungen AktivistInnen als Zivi »geoutet« wird, wie es hin und wieder schon einmal vorkommen kann. Die verächtlichen Blicke und Sprüche werden durch den Hinweis, mensch sei doch JournalistIn zwar nicht zwangsläufig freundlicher. Aber wenigstens der Makel Zivi haftet nicht mehr an. Zurück bleibt dann nur der Gedanke: Hoffentlich lag es am Alter und nicht daran, dass der Griff in den Kleiderschrank eher einer ins Klo war. mdr

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