Kosovos Opposition probt ein Husarenstück

Gemeinsam will man Regierungschef Hashim Thaçi ausbooten: Nachfolger soll Ramush Haradinaj werden

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.
Kosovos Regierungschef Hashim Thaçi sieht sich trotz seines Wahlsiegs am 8. Juni überrumpelt: Die vereinigte Opposition verständigte sich auf einen anderen Premier.

Ganze 67 113 Wähler hatten der Allianz für die Zukunft Kosovos (AAK) bei der Parlamentswahl ihre Stimme gegeben, nicht einmal ein Zehntel aller Wahlteilnehmer, und doch hat der 46-jährige Parteichef Ramush Haradinaj beim Poker um das Amt des Regierungschefs nun die besten Karten: Überraschend haben die drei Oppositionsparteien LDK, AAK und NK Haradinaj als gemeinsamen Premiersanwärter nominiert. Der ehemalige Kommandant der Untergrundarmee UCK hatte 2004/05 schon einmal kurz die Regierungsgeschäfte des damaligen UN-Protektorats geführt.

Perplex zeigt sich der amtierende Regierungschef Hashim Thaçi: Der Wählerwille könne nicht durch ein »verfassungswidriges« Abkommen geändert werden, schäumte er, dem Führer der stärksten Partei müsse auch der Regierungsauftrag zufallen. Die 31 Prozent für Thaçis Demokratische Partei (PDK) sind indes kein besonders eindrucksvolles Plebiszit. Da auch die vierte Oppositionspartei, die radikale Vetevendosjë (Selbstbestimmung), einen Regierungswechsel will, sind Thaçis Chancen auf den Machterhalt merklich gesunken. Wie die Zeitung »Ekspres« berichtete, soll er Haradinaj mittlerweile selbst das Premiersamt angeboten haben, wenn die AAK mit seiner PDK koaliere.

Thaçi scheint überdies auf Schützenhilfe der westlichen Schutzmächte Kosovos zu hoffen. Denn bei einem Regierungswechsel könnte sich der ohnehin stockende Nachbarschaftsdialog mit Serbien erheblich komplizieren. Vor allem die Kriegsvergangenheit Haradinajs dürfte die von der EU forcierten Gespräche mit Belgrad erschweren. Zwar wurde er vom Haager Jugoslawien-Tribunal vom Vorwurf der Kriegsverbrechen an serbischen Zivilisten und albanischen »Kollaborateuren« freigesprochen, doch nur aus Mangel an Beweisen: Mehrere Zeugen kamen während der Verfahren unter merkwürdigen Umständen ums Leben - oder zogen ihre Aussage zurück.

Noch mehr Kopfschmerzen könnte den USA und der EU die Duldung der neuen Regierung durch Vetendosjë bereiten: Die Partei fordert den Abbruch der Gespräche mit Belgrad. In trockenen Tüchern ist der Wechsel also noch nicht, auch wenn EU-Offizielle in Priština beteuern, es sei an der Zeit, dass Kosovo »ohne Intervention von außen« eine Regierung bilde.

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