Empörung über Kripo-Aufruf

Südosteuropäer unter Generalverdacht gestellt

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Gegen »Alltagsrassismus« durch die Polizei im nördlichen Rheinland-Pfalz protestieren Kreisverbände der Linkspartei zwischen Rhein, Eifel und Mosel. Auslöser ist ein Rundschreiben der Kriminalpolizei in Mayen (Eifel) an Tourismusverbände und Vermieter im Vorgriff auf die diesjährige Großveranstaltung »Rock am Ring« am Pfingstwochenende an der Rennstrecke Nürburgring.

In dem Kripo-Brief werden die Gastronomen aufgefordert, den Behörden gezielt Daten und Pkw-Kennzeichen angereister Übernachtungsgäste aus Südosteuropa zu melden. Schließlich könne es sich bei diesen Personen um Straftäter handeln, die von Logisbetrieben des Umlandes aus den Festivalgästen gezielt Bargeld, Smartphones oder Eintrittskarten entwenden könnten. »Diese Tatverdächtigen stammen zum größten Teil aus Rumänien, vereinzelt auch aus Bulgarien oder der Slowakei«, so das Polizeischreiben.

Der Kripo-Vorstoß sei ein »Versuch, eine groß angelegte Ausspionieraktion nach ethnischen Merkmalen zur Normalität werden zu lassen«, empörte sich Martin Krötz, LINKE-Kreisvorsitzender und Kreistagsmitglied in Cochem-Zell. Gewollt oder nicht gewollt gehe es um die »die Befeuerung eines weit verbreiteten Alltagsrassismus durch eine mit Steuergeldern finanzierte Dienststelle«.

Hinzu komme erschwerend, »dass die tatsächlich ebenfalls vorhandenen deutschen Straftäter keine Beachtung finden und nach ihnen in der rassistischen Konsequenz des Schreibens also weniger gefahndet wird«, so Krötz am Mittwoch auf nd-Anfrage. Der Aufruf an Bürger zur »Sonderbeobachtung« ausländischer Gäste unter ethnischen Gesichtspunkten widerspreche den Prinzipien von Gastfreundschaft, Unschuldsvermutung sowie Grundrechten für alle und könne auch »keinesfalls mit konkreten Ermittlungen der Vergangenheit begründet werden«. Gute Polizeiarbeit benötige solche Aufrufe nicht.

In einem Schreiben fordert Krötz den rheinland-pfälzischen Innenminister und SPD-Landeschef Roger Lewentz auf, »sich öffentlich in aller Deutlichkeit von der Art und Weise« des Mayener Kripo-Briefs zu distanzieren und dafür zu sorgen, »dass dieses Schreiben ein einmaliger Ausrutscher bleibt und nicht zur rheinland-pfälzischen Normalität wird«. Beim jüngsten »Rock am Ring« habe es aus Polizeisicht »keine größeren Auffälligkeiten oder Delikte gegeben«, bestätigte ein Polizeisprecher in Mayen am Mittwoch auf nd-Anfrage.

Mit seiner Kritik steht Krötz nicht alleine da. So sieht auch Rainer Vitz aus dem Moselweinort Beilstein das Rundschreiben der Kripo Mayen »kritisch und hochdramatisch«. Vitz hatte als Hotelier, Fremdenführer und Vorsitzender des örtlichen Heimat- und Verkehrsvereins Beilstein wie viele andere Unternehmen das Rundschreiben erhalten. In der örtlichen Gastronomie und im Weinbau arbeiteten seit den 1990er Jahren zahlreiche Menschen aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien als Saisonkräfte, erklärte Vitz gegenüber dem nd. Einige von ihnen hätten Einheimische geheiratet und seien inzwischen sesshaft geworden. »Man hat sich als Nachbarn gerne.« So habe es schon ein merkwürdiges »Geschmäckle«, wenn Familienangehörige aus den Herkunftsländern, die ihre Verwandten an der Mosel besuchten, schon allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit durch die Behörden unter »kollektiven Generalverdacht« gestellt würden. Vitz ist von Haus aus Historiker und hat nicht zuletzt auch deshalb eine »Antenne für solche Fragen«.

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