Potsdamer Politik bleibt barock

Im Potsdamer Landtag harmonieren SPD und LINKE, nicht so in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Hier macht die SPD lieber mit CDU und Grünen gemeinsame Sache.

Der umstrittene Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche ist der SPD anscheinend wichtiger als bezahlbare Mieten. Das Stadtzentrum soll unbedingt ein barockes Gepräge erhalten. Dazu musste die Fassade des neuen Landtags das alte Stadtschloss kopieren, dazu soll die Garnisonkirche auferstehen. Die beiden barocken Vorgängerbauwerke waren im Zweiten Weltkrieg zerstört, die Ruinen in den 1960er Jahren gesprengt worden. Die Sprengungen gelten in bürgerlichen Kreisen Potsdams heute als kulturelle Barbarei des SED-Regimes. In denselben Kreisen wird jedoch der Abriss des früheren DDR-Interhotels ebenso herbeigesehnt wie das baldige Verschwinden DDR-Plattenbauensembles Staudenhof, obwohl preiswerte Zimmer und Wohnungen schwer zu finden sind.

Um eine derart restaurative Stadtentwicklung zu sichern, verbündete sich die Potsdamer SPD im Stadtparlament bislang lieber mit CDU und Grünen als mit der stärksten Kraft dort - der Linksfraktion. Die Lokalpresse sprach bezeichnenderweise von der Stadtschlosskoalition. Die wird nun neu aufgelegt - als Garnisonkirchenkoalition.

Dabei war eine andere Variante möglich. Nach der Kommunalwahl am 25. Mai hatten SPD und LINKE ein Sondierungsgespräch. »In 80 Prozent der Fragen sind wir uns einig gewesen«, erzählt der LINKE-Kreisvorsitzende Sascha Krämer. Große Übereinstimmung habe es insbesondere bei den wichtigen Themen öffentlicher Personennahverkehr und Wohnen gegeben. Zu fünf zentralen Komplexen hätte man sich einigen können, sagt Krämer.

Doch die theoretische rot-rote Mehrheit ist in Potsdam bei der jüngsten Kommunalwahl verloren gegangen. Krämer und seine Genossen kalkulierten deshalb Abstimmungen mit wechselnden Mehrheiten ein. Da hätte sich die LINKE dann auch notgedrungen damit abgefunden, in der Frage der Garnisonkirche von den Befürwortern eines Wiederaufbaus überstimmt zu werden, was sich ohnehin nicht verhindern ließe.

Krämer war nach dem ersten Gespräch guter Hoffnung und fuhr nach Sizilien - in Erwartung einer zweiten Gesprächsrunde, die für die Zeit nach seinem Urlaub ausgemacht war. Sein Eindruck kann nicht ganz falsch gewesen sein, lobte die SPD im Nachhinein doch immerhin, wie konstruktiv das Gespräch geführt worden sei. Doch zu einem zweiten Treffen kam es gar nicht mehr. Die SPD entschloss sich, eine Kooperation mit CDU, Grünen und Freien Wählern anzustreben, wie Krämer Ende vergangener Woche überrascht feststellen musste.

»Ausschlaggebend war das Thema Stadtentwicklung und die Ablehnung der Fraktion Die LINKE zu einer klaren und verbindlichen Kooperationsvereinbarung mit drei Partnern«, teilte die SPD mit. »Ich möchte stabile Mehrheiten in der Stadtverordnetenversammlung«, erklärte Oberbürgermeister Jakobs. »Nur so lassen sich die Herausforderungen der nächsten Jahre meistern«, sagte er.

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