nd-aktuell.de / 20.06.2014 / Brandenburg / Seite 12

Leider keine Mehrheit gegen die Braunkohle

Anita Tack über die schwierige Entscheidung zu Welzow-Süd II

Anita Tack
Die 63-jährige Anita Tack ist seit dem 6. November 2009 Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Bereits seit 1994 sitzt die Diplom-Ingenieurin für Städtebau und Regionalplanung im brandenburgischen Landtag.

Am 3. Juni hat die rot-rote Landesregierung in Brandenburg das gesetzliche Verfahren zum Braunkohleplan zur Erweiterung des Tagebaus Welzow-Süd abgeschlossen, womit ausdrücklich keine Zulassungsgenehmigung verbunden ist. Auch wir Minister der LINKEN haben zugestimmt. In einer Protokollnotiz haben wir den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2040 und eine klare Absage an neue Tagebauaufschlüsse festgehalten.

Neben die sachliche Auseinandersetzung in der Debatte um diese Entscheidung sind viele Zuspitzungen getreten, die offensichtlich die Grundfrage des Regierens überhaupt berühren. Die Greenpeace-Kampagne hat auch in der LINKEN selbst nicht wenig Zustimmung erfahren. Diese Zustimmung halte ich für falsch. In der Debatte darum treffe ich auf einen Umgang mit Wahl- und Abstimmungsergebnissen, den ich für bedenklich und der demokratischen Entwicklung nicht dienlich halte.

Fakt ist: In Brandenburg gibt es derzeit noch immer keine Mehrheit für einen so konsequenten Ausstieg aus der Braunkohle bis zum Jahre 2040, wie ihn die LINKE fordert - und für den ich mich auch persönlich immer wieder eingesetzt habe und einsetzen werde. Dieser Mangel an Mehrheit wird auch dadurch nicht widerlegt, dass bei manchen Meinungserhebungen die Frage »Sind Sie für den Ausstieg?« mehrheitlich mit Ja beantwortet wird. Denn die entscheidende zweite Frage: »Sind Sie für den Umstieg auf Wind-, Solar- und Bioenergie, und zwar genau hier, in Brandenburg?« wird erst gar nicht gestellt beziehungsweise erhält keineswegs die gleiche Zustimmung. Mehr als 50 Bürgerinitiativen in Brandenburg kämpfen derzeit gegen die Windenergieerzeugung, und ihre Zahl nimmt weiter zu. Als ich Greenpeace-Aktivisten bei ihren Protesten auf diesen Widerspruch aufmerksam machte, gaben sie mir zu verstehen, sich darum zu kümmern, sei nicht ihre Aufgabe. Mag sein. Meine Aufgabe als Ministerin aber ist es. Und unsere Aufgabe als LINKE ist es, für Energiegerechtigkeit und sichere Stromversorgung einzutreten.

Unserer Partei ist es 2009 nicht gelungen, gemeinsam mit anderen das Volksbegehren »Keine neuen Tagebaue« zum Erfolg zu führen. Wir haben damals noch nicht regiert, waren Opposition und sind gescheitert. Wer glaubt, dass das nur am Desinteresse der Menschen im Norden unseres Landes oder an den hohen Hürden bei der Unterschriftsleistung lag, liegt falsch. Es fehlte uns schlichtweg an Überzeugungskraft.

Und diese Überzeugungskraft in punkto Braunkohleausstieg haben wir leider bis heute nicht entscheidend vergrößern können. Das zeigen auch die Ergebnisse bei der Kreistagwahl am 24. Mai - also vor unserem Regierungsbeschluss. In der Lausitz, im Wahlkreis 6 des Landkreises Spree-Neiße, zu dem Welzow gehört, haben 33,7 Prozent CDU und 31,5 Prozent SPD gewählt. Beides sind erklärte Pro-Braunkohle-Parteien. Nur 15,4 Prozent - weit unter Landesdurchschnitt - haben sich für die LINKE entschieden, ganze 2,3 Prozent für die Grünen. Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Welzow hat die LINKE gar nur 7,9 Prozent erzielt.

In diesen Wahlergebnissen zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit der Interessen vor Ort genauso deutlich wie auf Landesebene.

Alternativen sind machbar. Wer Welzow-Süd II verhindern will, sollte jetzt gemeinsam mit uns um veränderte gesellschaftliche Mehrheiten ringen. Das ist keine Ein-Punkt-Aufgabe. Das ist anstrengend, denn es braucht Geduld, Toleranz und einen langen Atem. Dass es sich lohnt, zeigen Beispiele wie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Brandenburg oder der Beschluss der Nachhaltigkeitsstrategie für das Land.

Zwei Dinge werde ich auch künftig nicht tun. Ich werde nicht - wie es manche von mir gefordert haben - einer Aufteilung der LINKE-Ministergruppe in »gute« und »schlechte« das Wort reden. Und das zweite: Die Forderung einiger Ökoaktivisten, es müsse »Schluss sein« mit dem Zustand »Eine Partei - zwei Meinungen«, ist absurd. Zu einer solchen Partei will ich nicht zurück. Unter keinen Umständen.