nd-aktuell.de / 24.06.2014 / Politik / Seite 14

Comics zum Kilopreis

Erlangen lud am Wochenende wieder zu seinem Internationalen Comic-Salon - das Festival prägt das Leben im Ort

Ralf Hutter, Erlangen
Comics sind längst zu einem ernst zunehmenden Literatursegment geworden, das bayerische Erlangen veranstaltet alle zwei Jahre sogar eine Spezialmesse. Auch die diesjährige Ausgabe war ein Erfolg.

Auch beim Comic steht der Schritt in den digitalen Bereich bevor, wie am Wochenende deutlich wurde - doch noch geht es dem gedruckten Segment mit seinen Blättern, die die Welt bedeuten, sehr gut. Der 16. Internationale Comic-Salon, der von Donnerstag bis Sonntag im mittelfränkischen Erlangen stattfand, jedenfalls war wieder sehr gut besucht - 8000 Karten wurden verkauft, wovon einige tausend Vier-Tages-Pässe waren; hinzu kamen 3000 Festivalpässe für die Leute aus der Branche. Und sowohl hinsichtlich der Messe selbst als auch generell sind die Verlage mit den Verkaufszahlen sehr zufrieden.

Das Literatursegment der sequenziellen Text-Bild-Geschichten ist mittlerweile mit dem Begriff »Comic« nicht mehr ganz ausreichend umschrieben. Denn die bunten Hefte sind längst um ernste Kost, zumeist »Graphic Novels« genannt, erweitert. Der Comic-Salon, das größte Festival der Branche im deutschsprachigen Raum, findet alle zwei Jahre in Erlangen statt. Das Herz des Comic-Salons schlägt dabei im Veranstaltungszentrum Heinrich-Lades-Halle, das praktischerweise ins Rathaus übergeht. Während auf den Fluren der Lades-Halle die über 200 Aussteller stehen und im großen Saal, in dem sonst zum Beispiel Konzerte und Bälle stattfinden, die zentralen Ausstellungen platziert sind, wird das Erdgeschoss des Rathauses traditionell von Comic- und Comic-Artikel-Händlern bespielt. Dort können Comics auch zum Kilopreis gekauft werden. Im Sitzungssaal des Stadtrates dagegen finden die großen Podien statt.

Dieses klassische Messegedränge mit den stündlich per Lautsprecheranlage ausgerufenen Signierterminen an Verlagsständen und der »Comic-Börse« mit Flohmarktcharakter draußen vor der Tür mag das Herz sein - doch von hier wird ein großer Teil der Erlanger Innenstadt mit Leben gefüllt. Der Comic-Salon pumpt die Bild-Text-Kreativität in die Universitäts- und Siemensstadt, viele Institutionen nehmen diese Energie auf.

So war der Großteil der 30 Ausstellungen auf die Stadt verteilt. Die größeren von ihnen fanden in städtischen Kultureinrichtungen oder der Siemens-Hauptverwaltung statt. Oder, wie im Fall des 70 Meter langen Panoramas aus der Hand des Comicreportagen-Stars Joe Sacco über eine der größten Schlachten des Ersten Weltkriegs, auf dem zentralen Schlossplatz. Doch auch Ladengalerien machten mit, eine Kneipe, der örtliche Comic-Laden, die evangelische Kirche, eine Kommunikationsagentur, ein Café und der Botanische Garten. Selbst das Jüdische Museum im benachbarten Fürth war eingebunden.

Auch durch die Mitmachaktionen für Menschen jeglichen Alters haucht der Comic-Salon der Stadt Leben ein. So postierte sich der Leipziger Zeichner und Karikaturist Schwarwel einen Tag lang mit Tisch und Stellwänden an verschiedenen Plätzen. Und er forderte die Vorbeikommenden unter dem Motto »Wenn ich Bürgermeister von Erlangen wär« auf, ihre Wünsche an den neuen Erlanger Oberbürgermeister zu zeichnen. »Die Aktion war sehr erfolgreich«, bilanzierte Schwarwel am Samstagnachmittag im »nd«Gespräch, nachdem er die vollgehängten Stellwände dem sichtlich angetanen OB übergeben hatte. »Es ging darum, zu zeigen, dass Comic auch etwas mit dem normalen Leben zu tun hat«, erläuterte er, warum er wie schon vor zwei Jahren vom Festival engagiert worden war.

»Der Comic hat ein Nerd- und Couch-Potatoe-Problem, er spricht eher den introvertierten Teil im Menschen an, als den extrovertierten«, meint Schwarwel. »Es muss immer wieder gesagt werden: Comic ist nicht nur Mickey Maus, man kann damit wirklich Sachen machen, die Themenwahl ist endlos. Und man kann damit in der Normalbevölkerung andocken.«