nd-aktuell.de / 24.06.2014 / Politik

Lieber Asylbewerber als US-Soldat

EuGH verhandelt am Mittwoch Fall eines US-Deserteurs aus Deutschland

Martin Wortmann
André Lawrence Shepherd wollte nicht ein zweites Mal in den Irak-Krieg ziehen. Im Frühjahr 2007 beantragte er als erste Deserteur der US-Armee in Deutschland politisches Asyl. Sein Fall verhandelt am Mittwoch der Europäische Gerichtshof.

Kassel. André Lawrence Shepherd wollte nicht ein zweites Mal in den Irak-Krieg ziehen. Im Frühjahr 2007 verließ der US-Soldat daher unerlaubt seine in der fränkischen Katterbach-Kaserne stationierte Einheit - und beantragte als erste Deserteur der US-Armee in Deutschland politisches Asyl. Seinen politisch heiklen und rechtlich schwierigen Fall verhandelt am Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Der Wartungstechniker für Kampfhubschrauber war zwischen September 2004 und Februar 2005 bereits als regulärer Soldat ein erstes Mal im Irak im Einsatz. Zurück in Deutschland verlängerte der heute 37-Jährige seinen Vertrag mit den US-Streitkräften um weitere acht Jahre - nach eigenen Angaben, um so eine sonst mögliche Einberufung als Reservist in den Irak zu verhindern.

Als im April 2007 ein weiterer Einsatzbefehl in den Irak kam, verließ Shepherd die Armee. Zunächst versteckte er sich bei Bekannten in Deutschland und beantragte dann Asyl. Einen erneuten Einsatz im Irak könne er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, argumentierte er. Gerade bei Einsätzen der Apache-Kampfhubschrauber sei die Zivilbevölkerung zu Schaden gekommen. »Ich wollte Amerika nicht noch einmal dabei helfen, unschuldige Menschen zu ermorden«, sagte Shepherd 2008 »Spiegel Online«.

Ein reguläres Kriegsdienstverweigerungsverfahren in den USA leitete Shepherd nicht ein. Dies sei aussichtslos gewesen, weil er nicht jeden Krieg, sondern nur den seines Erachtens völkerrechtswidrigen Krieg im Irak abgelehnt habe.

Im März 2011 wies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Antrag ab. Shepherd habe kein einziges Kriegsverbrechen genannt, das seine Einheit während ihres ersten Irak-Einsatzes begangen habe, hieß es zur Begründung. Als Wartungstechniker laufe er auch nicht Gefahr, persönlich in Kriegsverbrechen verwickelt zu werden.

Ob der Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte im Irak im März 2003 völkerrechtswidrig war, spiele keine Rolle, so das Bundesamt weiter. Jedenfalls habe der UN-Sicherheitsrat den weiteren Verbleib der Soldaten zur Sicherung der Stabilität im Irak schon im Mai 2003 rechtlich legitimiert. Gegen die Entscheidung klagte Shepherd beim Verwaltungsgericht München.

Der inzwischen verheiratete und in Bayern lebende Shepherd hat nicht die Prominenz des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Doch auch ein politisches Asyl für den Armee-Deserteur würde in den USA wohl zu Irritationen führen. Rechtlich ist der Asylantrag kaum weniger heikel. Weil Shepherd sich vorrangig auf das Asylrecht der Europäischen Union beruft, hat das Verwaltungsgericht München den Streit dem EuGH vorgelegt.

Das EU-Recht kennt kein generelles Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung. Die Asyl-Richtlinie von 2004 schützt aber Militärdienstverweigerer, die sonst an Straftaten, Kriegsverbrechen oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt wären.

Das Verwaltungsgericht will nun vom EuGH wissen, ob dies eine direkte Beteiligung voraussetzt, oder ob eine indirekte Beteiligung ausreicht. Denn als Wartungstechniker wäre Shepherd nicht direkt an Kampfeinsätzen beteiligt gewesen.

Auch soll der EuGH klären, ob eine unehrenhafte Entlassung aus der Armee, die damit verbundene soziale Ächtung und gegebenenfalls eine Freiheitsstrafe auch dann als politische Verfolgung anzusehen sind, wenn Shepherd eine Kriegsdienstverweigerung nach US-Recht gar nicht erst beantragt hat.

Das sind schwierig Fragen, für deren Beantwortung sich der EuGH Zeit nehmen wird. Ein Urteil wird er erst im Frühjahr oder Sommer 2015 verkünden. afp/nd