nd-aktuell.de / 26.06.2014 / Politik / Seite 2

Union pocht auf Sparmaßnahmen

Im Streit um den Stabilitätspakt weisen deutsche Konservative die Forderung Frankreichs zurück, mehr Zeit zum Schuldenabbau zu bekommen

Aert van Riel
Trotz verheerender Auswirkungen verlangt die Union weitere »Strukturreformen« in europäischen Ländern. Am Stabilitätspakt soll nicht gerüttelt werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich gegen eine Lockerung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes gewandt. Die CDU-Vorsitzende sagte im Bundestag, dass der Pakt hervorragende Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung biete. Zugleich könne der Haushalt konsolidiert werden. Der Pakt fordert von EU-Mitgliedsstaaten, die den Euro einführen möchten oder eingeführt haben, u.a. ihre Haushaltsdefizite und Verschuldungen zu begrenzen. Bei Nichteinhaltung können Sanktionen, darunter Geldstrafen, verhängt werden.

Über die Schwerpunkte des Pakts dürfte beim nun anstehenden EU-Gipfel noch diskutiert werden. Von Spitzenpolitikern großer sozialdemokratischer Parteien in Europa war zuletzt immer wieder die Forderung zu hören, dass betroffene Länder bei Reformanstrengungen mehr Zeit zum Abbau von Defiziten bekommen sollten. Außerdem wollen sie, dass durch ein Investitionsprogramm zusätzliche Arbeitsplätze in Europa geschaffen werden. Dann soll der Kandidat der Konservativen, der Luxemburger Jean-Claude Juncker, bei der Wahl zum EU-Kommissionspräsidenten auch Stimmen von europäischen Sozialdemokraten bekommen.

Merkel bekräftigte, dass auch die Bundesregierung Juncker unterstützen wolle. »Es ist kein Drama, wenn wir nur mit qualifizierter Mehrheit abstimmen werden«, sagte sie angesichts von Widerständen gegen Juncker vor allem aus Großbritannien.

Beim Stabilitätspakt sieht die Bundesregierung Möglichkeiten der flexiblen Anwendung, etwa im Fall einer schlechten Konjunkturentwicklung. Sie betont aber auch die Umsetzung von »Strukturreformen«. Finanzminister Wolfgang Schäuble attackierte in einem ARD-Interview das sozialdemokratisch regierte Frankreich, das zu den Ländern zählt, die mehr Zeit beim Schuldenabbau wollen. »Frankreich hat die höchsten Sozialausgaben und Verwaltungskosten in der EU und muss sich deshalb auf Strukturreformen und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren«, so der CDU-Politiker.

Welche Folgen die »Strukturreformen« haben, zeigt sich derzeit in Krisenstaaten Südeuropas. Dort werden vor allem die öffentlichen Ausgaben gekürzt. Beispielsweise in Portugal wächst zwar die Wirtschaft wieder leicht, aber harte Sparprogramme haben die Mittelschicht zerstört. Rund ein Viertel der Bevölkerung - 2,5 Millionen Menschen - lebt in Armut oder an der Armutsgrenze.

Diese Zustände hinderten den Bundespräsidenten Joachim Gauck nicht daran, bei seinem Besuch in der Hauptstadt Lissabon den Mitgliedern der dortigen Mitte-Rechts-Regierung die Empfehlung zu geben, es lohne sich, »den angefangenen Reformweg konsequent weiterzugehen und dies der Bevölkerung angemessen zu erklären«. So war es keineswegs verwunderlich, dass der evangelische Pastor es ebenfalls als notwendig ansah, im Rahmen seiner Auslandsreise dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt seinen Segen zu geben. »Ich glaube nicht, dass wir einen Zukunftsweg einschlagen würden, wenn wir etwa einen großen Fortschritt darin sehen würden, intensiv besprochene Vereinbarungen und Verträge neu in Frage zu stellen«, sagte Gauck.