nd-aktuell.de / 07.12.2001 / Brandenburg

Atomwaffen-Bunker soll Museum werden

Pläne für ehemaliges Militärgelände bei Fürstenberg

Bernhard Breitenfeld
Himmelpfort, das romantische Dorf zwischen Schorfheide und Ruppiner Land, ist Kindern als Postadresse des Weihnachtsmannes bekannt. Wie nahe die Einwohner des Ortes jahrzehntelang sozusagen direkt vor jener Pforte standen, wird ihnen erst jetzt nach und nach bewusst. Denn in den Wäldern gleich hinter Himmelpfort befand sich bis 1992 ein streng geheimes Militärareal, das so genannte Waldlager Lychen II. Inzwischen ist es den Einheimischen besser bekannt als Kernsprengstoffdepot der sowjetischen 2. Garde-Panzerarmee. Hinter Buchenwäldern liegt der Bunkerkomplex. Betonstraßen führen zu oberirdischen Verladerampen. Die riesigen Bunkertore, dicker Stahl mit Tresorverriegelung und strahlensicherer Bleiverkleidung lassen sich noch so leicht bewegen, als sei die russische Armee erst gestern abgerückt. Dirk Heuschkel bringt mit seiner Grubenlampe Licht ins Dunkel. Der 59-Jährige war einst Offizier der Nationalen Volksarmee und klettert seit zwei Jahren durch diese Katakomben. Er weist mit dem Lichtstrahl seiner Lampe auf einen von vier großen Räumen im untersten Stockwerk des Bunkers: »Hier wurden die Nuklearsprengköpfe gelagert.« Auch die für die Mittelstreckenraketen SS20 und SS22? Heuschkel zuckt mit den Schultern. Noch heute würden ehemalige sowjetische Militärs mit Verweis auf ihre 40-jährige Schweigepflicht dazu nichts sagen. Anzunehmen sei jedoch, dass hier hauptsächlich taktische Atomwaffen gelagert worden seien- nukleare Granaten für Panzer und Haubitzen. Insgesamt, so schätzt der Hobby-Forscher, sei hier nukleares Material mit einer Sprengkraft des »Tausendfachen der Hiroshima-Bombe« eingelagert worden. Was mit der Militäranlage geschehen soll, weiß Heuschkel auch. Ihm schwebt ein öffentlich zugängliches Museum vor, eine »Gedenkstätte an die Zeit des Kalten Krieges«. Im Bunkerinneren sollte alles so bleiben, wie es heute ist. Außen, im Kasernenbereich, wäre Gastronomie, ja selbst ein Hotel denkbar. Besucher führe er schon heute fast regelmäßig durch die Bunker. Meist seien es Bundeswehr-Reservisten. Mit der Idee steht der Mann nicht alleine da. Volker Scheicher hat die gleiche Vorstellung. Der Mittvierziger ist ein Import aus Nordrhein-Westfalen und der Konversionsbeauftragte des Amtes Fürstenberg. Viele der 5000 Fürstenberger hätten früher im Dienstleistungsbereich für die rund 30000 hier stationierten russischen Militärs gearbeitet, erklärt er. Heute sei jeder Fünfte arbeitslos. Zukunft habe in der strukturschwachen Region nur der Tourismus, ist er sich sicher. Da müsse jede Vermarktungschance für den Fremdenverkehr beim Schopfe gepackt werden. Zumal das atomare Waffenlager bestens erhalten sei, nicht geschliffen oder von Vandalismus gezeichnet. Jetzt fehle nur noch der Investor. Der allerdings lässt noch auf sich warten. Tourismusmanager vertrauen bisher eher auf die Havel, die Seen und Wälder in der dünn besiedelten Region.ddp