nd-aktuell.de / 28.06.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 4

Zwei Klassen von Gewerkschaften

Empörung bei Linkspartei und Gewerkschaften über Eckpunkte zu Tarifeinheits-Gesetz

Vincent Körner
Die Eckpunkte der Bundesregierung für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit stehen schwer in der Kritik: als fundamentaler Angriff auf das Streikrecht und das Grundgesetz.

Linkspartei und Gewerkschaften haben die Eckpunkte der Bundesregierung für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit scharf zurückgewiesen. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, nannte die Pläne »nichts anderes als ein fundamentaler Angriff auf das Streikrecht und die Verfassung«. Mit den nun bekannt gewordenen Plänen will die Große Koalition offenbar den Unternehmen entgegenkommen. Im Kern sehen die Eckpunkte eine Vorrangstellung der stärksten Gewerkschaft im Betrieb vor, was sich auch auf das Streikrecht von kleineren Beschäftigtenorganisationen auswirken würde.

»Soweit sich im Betrieb Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften überschneiden, kommt nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft zur Anwendung, die im Betrieb mehr Mitglieder hat«, zitierte der »Tagesspiegel« am Freitag aus dem Eckpunktepapier. Dies bedeute dann für die möglicherweise ebenfalls dort organisierten kleineren Gewerkschaften, dass sich »die Friedenspflicht aus dem Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft auf die Minderheitsgewerkschaft« erstreckt.

Die Regierung wolle das Recht der Beschäftigten, »sich frei in einer Gewerkschaft zu organisieren und für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu kämpfen, entscheidend einschränken«, sagte Riexinger am Freitag. Er warnte vor einem »Verfassungsbruch mit Ansage« und forderte die Koalition auf, den Wunsch der DGB-Gewerkschaften zu respektieren, »die eine solche Regelung ablehnen«. Riexinger gab der Vermutung Ausdruck, hier gehe es um einen »schmutzigen Deal Mindestlohn gegen Beschneidung des Streikrechts«.

Die Bundesregierung begründete ihre Pläne indes damit, dass die Friedenspflicht des Tarifvertrags entwertet würde, »wenn sich ein bereits tarifgebundener Arbeitgeber einer Vielzahl weiterer Forderungen und ggf. Arbeitskampfmaßnahmen konkurrierender Gewerkschaften gegenübersieht«. Man wolle deshalb gegen solche »innerbetrieblichen Verteilungskämpfe« vorgehen. Am kommenden Mittwoch will die Bundesregierung das Papier beschließen, ein Gesetzentwurf zur Tarifeinheit soll nach dem Willen der zuständigen Arbeitsministerin Andreas Nahles von der SPD im Herbst folgen. Ein Sprecher ihres Ressorts sagte, das Eckpunktepapier sei derzeit in der Abstimmung zwischen den Ministerien.

Kritik an den Plänen kommt auch aus Gewerkschaften. Der Marburger Bund sprach von einem »Frontalangriff auf gewerkschaftliche Rechte«, wie es der Chef der Ärzteorganisation, Rudolf Henke, nannte. Sollten die Eckpunkte tatsächlich zum Gesetz werden, würde es »in Deutschland ein Zweiklassenrecht für Gewerkschaften« geben. Während die einen »mit staatlicher Genehmigung Tarifverträge schließen und ihre Mitglieder zum Streik aufrufen« dürften, müssten sich andere Gewerkschaften »unterordnen und Ruhe geben«, sagte Henke im »Tagesspiegel«. Der Marburger Bund werde gegen eine solche Regelung Verfassungsbeschwerde einlegen.

Auf seinem Bundeskongress im Mai hatte der gewerkschaftliche Dachverband DGB beschlossen, die Koalition aufzufordern, Pläne für ein Gesetz zur Tarifeinheit fallen zu lassen, sollten dabei »das Streikrecht oder die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie« beeinträchtigt werden. Der Vorsitzende der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO, Nicoley Baublies, hatte unlängst darauf verwiesen, dass eine große Mehrheit der Bundesbürger »die praktische Bedeutung der Koalitionsfreiheit hoch« einschätze und »um die Wichtigkeit des Streikrechts« wisse. Baublies hatte die Bundesregierung aufgefordert, die Hände davon zu lassen, »die historisch gewachsene Gewerkschaftspluralität in Deutschland per Gesetz vereinheitlichen zu wollen«.