Vier-Meter-Flammen statt Bratwurst

Wenn im Sommer die Grillsaison läuft, bekommen die Fachkliniken meist viel zu tun - zum Beispiel in Halle

  • Charlotte Mack, Halle
  • Lesedauer: 2 Min.
Das gemütliche Bier am Grill ist gefährlich. Tausende Grillunfälle gibt es in Deutschland jährlich. Dann herrscht auch im Brandverletzten-Zentrum Halle in Sachsen-Anhalt oft Hochbetrieb.

Wenn im Sommer das Grillgerät angeworfen wird, haben Fachkliniken für Brandverletzte alle Hände voll zu tun. Denn mit der Grillsaison kommen die Grillunfall-Verletzten ins Krankenhaus. Pro Sommermonat werden allein im Brandverletzten-Zentrum in Halle (Sachsen-Anhalt) zwei Schwerstverletzte aufgrund von Grillunfällen eingeliefert, wie der Leitende Arzt des Zentrums, Mathias Kaiser, mitteilte.

Der typische Grillunfall entstehe beim Kohlenanzünden dann, wenn Brandbeschleuniger ins Feuer gegossen werde. »Explosionsartig prallt dann eine Feuerwand auf umstehende Personen«, sagte Kaiser. Stichflammen könnten dabei bis zu vier Meter aus dem Grillgerät schlagen. »In Sekunden können dann bis zu 50 Prozent der Körperoberfläche verbrannt werden.«

Nach Angaben der Initiative für Brandverletzte Kinder, einem in Hamburg ansässigen Verein, sind rund ein Drittel der Grillunfall-Verletzten Kinder. »Kinder stehen oft bei ihren Eltern am Grill«, sagte Initiativen-Vorsitzende, Adelheid Gottwald. »Die Kinder sind mit dem Grill auf Augenhöhe und werden so besonders stark verletzt.« Lebenslange Narben und eine lange, schmerzhafte Behandlung seien dann die Folge.

In Sachsen-Anhalt gibt es insgesamt sechs Betten für brandverletzte Kinder, zwei davon für Schwerstverletzte. »Bei der Behandlung der Kinder ist die Tiefe und Fläche der Brandverletzung entscheidend«, sagte Gunter Klohs, Oberarzt der Kinderchirurgie an der Uniklinik Halle. Die Betten auf seiner Station sind durchgehend belegt. Im Kleinkindalter sei das Zahlenverhältnis zwischen Jungen und Mädchen etwa gleich, in der Pubertät seien vor allem Jungen unter den Patienten.

Bundesweit werden jährlich rund 10 000 Kinder und Jugendliche bis zum 19. Lebensjahr mit Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert, wie das Statistische Bundesamt für das Jahr 2012 berechnete. Rund 1300 davon sind nach Angaben der Initiative für Brandverletzte Kinder Opfer von Grillunfällen. »Die Leute denken, sie haben alles im Griff - und begehen fahrlässig folgenschwere Fehler«, sagte die Vorsitzende Adelheid Gottwald. »Grillunfälle sind die einzigen Unfälle, die zu 100 Prozent vermeidbar sind.« Noch vor wenigen Tagen habe sie Spiritus in der Grillabteilung einer Tankstelle stehen sehen. »Nur weil Spiritus billig ist, wird er noch immer verwendet, das ist furchtbar«, sagt Gottwald.

»Dass es ab und an zu Brandverletzungen kommt, ist normal. Wichtig ist es nur, schnell professionelle Hilfe zu holen«, sagte der leitende Arzt des Brandverletzten-Zentrums in Halle. Hausmittelchen wie Zahnpasta auf der Wunde würden mehr schaden als nützen. Kaiser rät zu Wundbrandsalbe und professioneller Hilfe. »Ab einer Verbrennung von etwa einem Prozent der Körperoberfläche, das ist eine handtellergroße Verletzung, sollte ein Spezialist aufgesucht werden«, sagte Kaiser. dpa/nd

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