Regenbogen über dem Goldenen Land

Myanmar öffnet sich politisch und langsam auch gegenüber Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die politische Öffnung in Myanmar geht auch mit einer Ausweitung von Rechten einher. Davon profitieren auch Menschen mit sexuellen Orientierungen jenseits der Norm.

Tattoos am Hals, auf den Armen, blond gefärbte Irokesenfrisur. Alles klar, Sue Choe ist eine Punkerin. Bei einem Cappuccino in Ranguns Szene-Café »Coffee Circles« lacht die 23-jährige Myanmarerin über dieses Klischee und versichert freundlich: »Ich bin einfach nur eine Freistillesbe.« Sue Choe nimmt sich auch die Freiheit, sich im Reform-Myanmar, dem einstigen Burma, als lesbische Aktivistin zu betätigen. »Es geht um unsere Rechte«, sagt die Übersetzerin.

Zu der Kaffeerunde an diesem Nachmittag im Juni haben sich Myo Min Htet und Tin Ko Ko gesellt. Seit zehn Jahren sind die beiden 27 und 37 Jahre alten Männer ein Paar. Ihr Zehnjähriges feierten sie mit 400 Freunden, Verwandten und Kollegen mit einer rauschenden Party in einem Hotel in Rangun. Tin Ko Ko dementiert Berichte myanmarischer Medien, es drohe ihnen jetzt auf Grund des Strafrechtsparagrafen 377a eine Anklage. »Das hat eine Zeitung erfunden. Die meisten Medien berichten negativ über Schwule und Lesben.« Der Paragraf 377a, ein Relikt aus der britischen Kolonialzeit, kriminalisiert Homosexualität.

Myo Min Htet und Tin Ko Ko leben zusammen in einem Haus in einem Vorort von Rangun. »Die Nachbarn wissen, dass wir schwul sind. Sie akzeptieren uns, weil wir uns männlich verhalten. Wären wir, oder auch nur einer von uns, transsexuell oder tuntig, wäre das was anderes«, sagt Tin Ko Ko, der in Vollzeit für die schwul-lesbisch-transsexuelle Gruppe Kings and Queens arbeitet, während sein Freund Mitarbeiter einer Aidshilfe ist.

Myo Min Htet und Tin Ko Ko waren schon während des Militärregimes Schwulenaktivisten. »Unter dem Deckmantel der Aids-Aufklärung haben wir uns in meinem Geschäft getroffen«, erzählt Tin Ko Ko, der damals mit Matratzen handelte. Das Rüstzeug für den unter der Junta gefährlichen Einsatz für Menschenrechte hatten sich die beiden 2010 bei einem Seminar des Human Rights Education Institute of Burma (HREIB) in Chiang Mai (Thailand) geholt. »Wir haben davon über das Internet erfahren«, erinnert sich Myo Min Htet.

Gründer der HREIB ist Aung Myo Min. Der 47-jährige war einer der Studenten, die nach dem im August 1988 blutig niedergeschlagenen Aufstand in Rangun gegen das Militärregime fliehen mussten. Nach 23 Jahren im thailändischen Exil konnte der offen schwule Aung Myo Min vor einem Jahr wieder heim nach Rangun.

Sich Heute in Myanmar für Menschenrechte einzusetzen ist eine Sache, für schwul-lesbische Rechte eine andere, weiß Aung Myo Min. »Homosexualität wird von allen politischen Parteien als ›sensibles‹ Thema angesehen, und über sensible Themen spricht man hier nicht. Deshalb kann ich in meinen Seminaren und Reden schwul-lesbische Rechte nur als ein Beispiel für Menschenrechte ansprechen.«

Gleichwohl öffnen sich in Myanmar langsam Freiräume für Schwule und Lesben. Die Feier des Internationalen Tags gegen Homophobie im Mai war ein historischer Meilenstein. Erstmalig fand in Myanmar ein schwul-lesbisches Ereignis nicht hinter verschlossenen Türen, sondern am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit im Volkspark mitten in Rangun statt, einem Vergnügungspark für die ganze Familien mit Karussells, Kinderspielplätzen und Schwimmbädern. »Wir haben den Veranstaltungsort mit Bedacht ausgewählt«, sagt Sue Choe lächelnd.

Die meisten der Schwulen, Lesben und Transsexuellen bei dem von den Botschaften Großbritanniens und Kanadas gesponsorten Gay-Pride waren sehr jung. Sue Choe ist nicht überrascht: »Die junge Generation hat die ganze Angst und Unterdrückung aus der Zeit des Militärregimes nicht verinnerlicht. Deshalb sind wir wohl mutiger.«

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