Wo Bars zur Waffenkammer werden

Bremen verschäft Regeln für die »Disco-Meile«

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf Bremens Polizeibeamte kommen bald philosophische Fragestellungen zu: Es geht um die Definition der Dinge. Konkret sind die Bestimmungen für die innerstädtische Bannmeile für Waffen überarbeitet worden. Dabei soll die Sperrzeit für das Mitführen gefährlicher Gegenstände neu definiert und die Gruppe der inkriminierten Dinge ausgeweitet werden. Hinzu kommen Gläser und Glasflaschen. Wann aber ist eine Flasche eine Flasche und wann eine Waffe? Vor dieser Entscheidung stehen dann Ordnungskräfte, die für die Durchsetzung des Waffenverbots zuständig sind.

Das erinnert an einen wahren Coup in Sachen Definition, den sich vor Jahren eine Gruppe Angeklagter leistete: Sie erklärte dem Gericht, die zur Tatwaffe gewordenen Baseball-Schläger hätten sie nur bei sich gehabt, weil sie eben »Anhänger der amerikanischen Lebensart« seien. Baseball-Schläger gehören längst zu den verbotenen Gegenständen während der Nachtstunden auf Bremens »Disco-Meile«. Die befindet sich direkt gegenüber dem Hauptbahnhof und damit gerade mal fünf Geh-Minuten vom historischen Zentrum der Hansestadt entfernt. Das wiederum ist touristischer Anziehungspunkt und umfasst auch Rathaus, Dom, Parlament, Handelskammer und ausgedehnte Einkaufsstraßen.

Tagsüber ist die »Disco-Meile« einfach eine viel befahrene Durchfahrtstraße, die von Tausenden Menschen zu Fuß überquert wird - auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder einfach zum Bummeln, liegt sie doch an den malerischen Wallanlagen. An Wochenenden und vor Feiertagen wird es hier nachts aber noch lebhafter. Die Discos sind Publikumsmagnet. Amüsierwillige nehmen zum Teil mehr als 50 Kilometer Anfahrt und lange Wartezeiten beim Einlass auf sich, um in einen der »Tanzpaläste« zu gelangen.

Soweit die glänzende Seite der Angelegenheit. Die Bremer Polizei hat mehr mit der dunklen zu tun. Um dem etwas abzuhelfen, sind schon einige Maßnahmen umgesetzt: An den »Party-Tagen« sind SozialarbeiterInnen vor Ort, ihr kleiner, blauer Wohnwagen steht direkt neben den Discos. Außerdem sind stets Polizeikräfte in der Nähe, die Streifen wurden verstärkt. Dazu kam das Verbot, von 20 Uhr bis 8 Uhr Waffen und gefährliche Gegenstände in dem Areal mit sich zu führen.

Nun hat der Bremer Senat auf Grundlage der Erfahrungen der BeamtInnen vor Ort beschlossen, den Zeitkorridor etwas einzuschränken, aber die Liste der »gefährlichen Gegenstände« um Glasflaschen und Gläser zu erweitern. In zwei Wochen wird es auf der »Disco-Meile« und im angrenzenden Bereich somit nicht nur verboten sein, Gläser oder Flaschen bei sich zu haben. Auch alle Lokale und Geschäfte dort müssen auf den Ausschank in Plastikbechern umstellen.

Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Bremer Innensenators Ulrich Mäurer (SPD), erklärte auf »nd«-Anfrage, dass nach Beobachtung der Polizei bereits seit Einführung des bisher geltenden »Waffen-Verbots« die Anzahl der Körperverletzungsdelikte zurückgegangen sei. Wobei es zusätzlich noch eine Reihe anderer Maßnahmen zur Befriedung der Szene gegeben habe. Nun wird mit dem Glas- und Flaschenverbot, das zunächst für einen Probezeitraum von einem Jahr gilt, eine weitere Entspannung auf der »Disco-Meile« erhofft. Dabei, so Gerdts-Schiffler, behalte man für eine spätere Bewertung der Maßnahme auch andere Aspekte im Auge - etwa die Auswirkungen des Flaschenverbots auf ansässige Geschäfte.

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