nd-aktuell.de / 04.07.2014 / Kultur / Seite 16

Hillary Clinton

LESEPROBE

Wir alle werden im Leben vor schweren Entscheidungen gestellt. Manchen von uns wird dabei sehr viel aufgebürdet. Wir müssen entscheiden, wie wir die Anforderungen von Beruf und Familie miteinander vereinbaren ...

Als ich als junge Anwältin beschloss, eine Karriere in Washington nicht weiterzuverfolgen, sondern stattdessen nach Arkansas zu ziehen, um Bill zu heiraten und eine Familie zu gründen, fragten mich Freundinnen und Freunde: »Bist du nicht mehr ganz bei Trost?« Ähnliche Fragen bekam ich zu hören, als ich mich als First Lady für eine Reform des Gesundheitswesens stark machte, später selbst für die Präsidentschaft kandidierte und schließlich das Angebot von Präsident Barack Obama annahm, unsere Land als Außenministerin zu vertreten. Wenn ich Entscheidungen treffe, höre ich dabei sowohl auf mein Herz als auch auf meinen Verstand ...

Was für das tägliche Leben gilt, gilt auch für die höchsten Ränge der Regierung. Wer dafür sorgen muss, dass Amerika sicher, stark und wohlhabend bleibt, wird vor eine endlose Abfolge von Entscheidungen gestellt, wobei oft nur unzureichende Informationen vorliegen und widerstreitende Notwendigkeiten zu berücksichtigen sind. Das berühmteste Beispiel dafür aus meiner vierjährigen Amtszeit als Außenministerin ist vielleicht Präsident Obamas Befehl, ein Team von Navy SEALs in einer mondlosen Nacht nach Pakistan zu senden, um Osama bin Laden seiner gerechten Strafe zuzuführen. Die wichtigsten Berater des Präsidenten waren in dieser Sache geteilter Meinung. Die Informationen, die wir besaßen, waren triftig, aber alles andere als eindeutig. Die Risiken eines Fehlschlags waren beängstigend. Es stand immens viel auf dem Spiel - für unsere nationale Sicherheit, unseren Kampf gegen al-Quaida und unsere Beziehungen zu Pakistan. Doch vor allem begaben sich die tapferen SEALs und Hubschrauberpiloten in unmittelbare Todesgefahr. Es war eine so energische und mutige Demonstration von Führungsstärke, wie ich sie selten erlebt habe.

Aus dem Vorwort von Hillary Clinton »Entscheidungen« (DroemerResidenz, 895 S., geb., 28 €). Die Präsidenten-Gattin a. D., die eventuell selbst noch einmal kandidieren will, stellt ihr Buch am 6. Juli in Berlin vor.