Journalistischer Dreisatz

Unredliche und dumme Trugschlüsse

  • Mike Mlynar
  • Lesedauer: 3 Min.

Anfang letzter Woche erschien die monatliche Arbeitsmarktstatistik. Bertram B., Spitzenfunktionär der Bayrischen Wirtschaft, zeigte sich begeistert. Mit einer Einschränkung: Der künftige gesetzliche Mindestlohn hätte »unabsehbare bremsende Folgen für Wachstum und Beschäftigung«.

Natürlich ist das lediglich die übliche Phrasendrescherei. Hinter der jedoch formal gesehen ein falscher logischer Schluss steckt. Nämlich der von Korrelation auf Kausalität. Wobei jeder »Arbeitsmarktexperte« wissen sollte, dass Korrelation lediglich eine Beziehung zwischen Merkmalen beschreibt, Kausalität jedoch ein wirklich ursächlicher Zusammenhang. Wer wie Herr B. argumentiert, tut das also, weil wider besseres Wissen, unredlich und demagogisch. Redakteuren hingegen, die Schlagzeilen dichten wie »Dick macht dumm« oder »Schule macht dick«, sind solche formallogischen Zusammenhänge wahrscheinlich meist weniger vertraut. Also: mildernde Umstände.

Hinzu kommt mitunter noch eine erschreckende Matheschwäche. Das Ergebnis einer Umfrage, wonach jedem Vierten sein Geburtstagsgeschenk nicht passe, titelte ein NRW-Boulevardblatt jüngst mit: »Vier von zehn Beschenkten unzufrieden«. In einer Wochenzeitschrift war zu lesen: »24 Prozent der befragten Jungen mögen Kita nicht. Bei den Mädchen waren es zehn Prozent. Mehr als ein Drittel aller Kinder fühlt sich also nicht wohl.« Und die Zeitung mit den allergrößten Buchstaben schrie jüngst auf: »Hilfe, alles wird billiger!«. Was sich auf das Rekordtief der monatlichen Inflationsrate von nur einem Prozent bezog. Weshalb es richtig hätte heißen müssen: »Hilfe, alles wird immer weniger teurer!«

Anderswo wiederum stand mit dem dem Hinweis auf eine soziologische Erhebung im Text: »In 55 Prozent der Haushalte lebt nur noch eine Person«. Der Titelmacher verkündete gemäß seines persönlichen journalistischen Dreisatzes: »Mehr als die Hälfte aller Leute wohnt allein.«

Das ist zwar traurig, aber nicht ganz richtig - warum nicht?

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Denkspiellösung

Am Wochenende vom 5./6. Juli stellten wir den »Journalistischen Dreisatz« auf den Prüfstand - er fiel durch. Wenn in 55 Prozent der Haushalte nur eine Person lebt, dann leben in 45 Prozent mindestens zwei Personen, zusammen also 90. Damit damit liegt der Anteil der Alleinlebenden bei nur knapp 38 Prozent. 145:55=100:x

x = 5500:145= rund 38

Gemerkt hat das auch Gisela Ewe aus Aschersleben. Sie wurde als Gewinnerin ausgelost und erhält das Buch »Wir neuen Deutschen - Wer wir sind, was wir wollen« von Özlem Topcu, Alice Bota und Khue Pham aus dem Rohwohlt-Verlag. Die Auflösung des heutigen »Denkspiels« erscheint erst in der Ausgabe vom 26./27. Juli.

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