Der Ritt des Dämons

Jean Cocteau 125

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Götterjüngling. Die Grazie in den Kostümen eines Mannes. Seine feinen Züge suchten eine Atmosphäre, die Kraft fordert und Kraft weckt. Das Verruchte mischte sich mit dem vornehm Blassen. Ein Franzose wie ein Schillern zwischen dem Film Noir eines Jean-Pierre Melville und der Bohème von Montmartre. Mit achtzehn der erste Lyrikband, dann ein Leben in Vielfalt: Dichtung und Musik, Choreographie und Schauspielerei. Vor allem aber: Filme.

Er schreibt, er dreht. Bleibt als Kinomensch (»Das Blut des Dichters«, »Die ewige Wiederkehr«, »Ruy Blas«, »Die schrecklichen Kinder«) doch Dichter, »von großer Güte, strahlendem Adel und unbezwinglichem Großmut« - wie Jean Marais in seinen Erinnerungen notierte. Attribute, begründet überschwänglich, denn der Schauspieler lebte viele Jahre mit Cocteau zusammen. Seinem Entdecker. Dem Mann, mit dem gemeinsam er in späten Jahren Modell saß bei Arno Breker. Modell für eine marmorne Makellosigkeit, unter der das Herz um sich schlug für eine jeweils neue Portion Opium. Das Herz schlug, das Leben schlug zurück. Für den Tod Cocteaus im Jahre 1963 arbeiteten Drogen, Depression und der Infarkt verderberisch Hand in Hand.

Der Schriftsteller, heute vor 125 Jahren bei Paris geboren, nannte die Klugheit eine »Mumie«. Niemals fragen, wohin es geht! - sein Spruch. Seien wir mutig, indem wir die Grenze zur Verrücktheit antasten! - sein Antrieb.

Neben Apollinaire, Picasso und Satie feiert er frühprominent den Avantgardismus einer frivolen, rauschenden Ungebundenheit. In seinen Werken sonnt er sich in einer Melancholie, die süßschwer tropft. Schwelgt auf dem Theater im Surrealen, das an eine Logik des Lebens nicht glauben kann. Bedichtet die Blendzonen eines Begehrens, das lüstern auch der Selbstliebe nachstellt - gute Erziehung, so Cocteau, erfülle sich in der Kunst, die Wahrheit zu verbergen: dass man sich selber höher schätzt als alle anderen. Und er schreibt Romane von des Dämons durchkreuzendem Ritt durch alle Linien und Konturen. »In allem, was wir tun, bleiben wir doch beschlossen im einzigen, das wirklich groß ist: im Ende.« 1949 wird »Orphée« (mit Jean Marais) zu seinem berühmtesten Film. Die Romanze und Tragödie um Orpheus und Eurydike als modernes Trauerspiel: Jedem gehört eine Herkunft aus Dunkelheit, du lebst deine Spanne Zeit, aber erzlangsam fällt schon das Laken der Ewigkeit über dich.

Dichters Wort. Brückenbau über Zeiten hinweg. Verse, gestern geschrieben, wissen darum, dass ihnen die Anlässe nicht ausgehen werden. Und sei es in Brasilien, gestern Abend - wer das große Ende singt, ist auch ein Sänger unterwegs zum Halbfinale. »Warum Frankreich, Deutschland?/ Nur das Land der Herzen zählt,/ Wohin dann unser Engel uns begleitet,/ Friedlich immer und immer siegreich.« Jean Cocteau.

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