Die Bekenntnisse der letzten Kämpfer

Neuer Film von Daniel Burkholz über den Spanienkrieg

  • Carmela Negrete
  • Lesedauer: 4 Min.

¡No pasarán! - Jüngere Menschen werden den legendären Schlachtruf der spanischen Kommunistin Dolores Ibárruri, genannt La Pasionaria, vielfach nicht mehr kennen: »Sie werden nicht durchkommen!« Das war gemünzt auf die Faschisten, die am 18. Juli 1936 gegen die demokratisch gewählte Volksfrontregierung in Madrid putschten. Der Regisseur Daniel Burkholz wählte den seinerzeit von Millionen aufgegriffenen Ausruf zum Titel seiner neuen Dokumentation.

Wie in seiner vorherigen, »Brigadistas«, lässt er die letzten noch lebenden Verteidiger der spanischen Volksfrontrepublik zu Wort kommen, Republikaner und Interbrigadisten verschiedener Nationen. Für seinen 73-minütigen Film suchte er fünf Länder auf. Obwohl finanziell mager ausgestattet, ließ er nicht von seinem Vorhaben ab. Seine Dokumentation bietet Zeugnisse von unschätzbarem historischen und politischen Wert.

Burkholz porträtierte Menschen, die ihr Leben für die Verteidigung der Demokratie riskierten, so den österreichischen Antifaschisten Gerhard Hoffmann, Interbrigadist im Spanischen Krieg und anschließend Résistance-Kämpfer im deutsch-besetzten Frankreich. Der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 96-Jährige erklärt, dass der Kampf gegen den Faschismus zugleich ein Kampf für eine bessere Gesellschaft war.

Die spanischen Brüder Joseph und Vincent Almudever, die als Mitglieder der Vereinigten Sozialistischen Jugend nicht abseits stehen wollten, als die Volksfrontrepublik in Gefahr war, nehmen einen zentralen Platz in der Erzählung ein. Die Gebrüder kämpften im Fünften Regiment, jedoch dann an verschiedenen Orten; sie verloren sich im Krieg aus den Augen. Joseph beschreibt sehr plastisch, wie die Situation der einfachen Bevölkerung in Spanien vor dem Sieg der Volksfront im Februar 1936 war. »Die Menschen hatten kaum etwas zu essen«. Viele mussten sich als Tagelöhner bei einem der Großgrundbesitzer verdingen. »Wir waren Sklaven und wollten die Freiheit«, betont Joseph, der nach der Niederlage der Republik im Lager von Albatera in der Nähe von Alicante im Osten Spaniens interniert war. Er musste Zwangsarbeit verrichten, war u. a. am Bau des Kanals in Dos Hermanas in der Nähe der andalusischen Stadt Sevilla beteiligt. Vincent, der lange über das Schicksal seines Bruders im unklaren blieb, kämpfte an der Aragon-Front. Er ahnte damals schon: »Wenn wir der Krieg in Spanien verlieren, dann beginnt der Zweite Weltkrieg.«

Es sind die berührenden Aussagen der hochbetagten und doch noch erstaunlich fitten Zeitzeugen, die diese Dokumentation tragen. Erschütternd, was die republikanische Milizionärin Rosario Sánchez Mora durchmachen musste. Beim Hantieren mit Dynamit verlor sie eine Hand. Sie erzählt, wie sie nach drei Jahren Haft invalid und ohne Arbeit gezwungen war, auf der Straße Zigaretten verkaufen, um zu überleben. Hunger, Müdigkeit, Todesangst, Verwundungen und Seuchen, Verhaftungen, Folter, Internierung und ein ungewisses Schicksal - das ist das einigende Band, das die Biografien der hier vorgestellten tapferen, beeindruckenden Menschen durchzieht.

Auch der 2007 verstorbene Kurt Julius Goldstein kommt zu Wort. Als Kommunist und Jude in Nazideutschland doppelt gefährdet, war er nach Palästina emigriert und eilte dann nach Spanien, weil man dort - wie er im Film sagt - am wirksamsten gegen den deutschen und internationalen Faschismus aktiv werden konnte. Nach Francos Sieg flüchtete er nach Frankreich, wurde dort als Deutscher interniert und nach der Besetzung des Landes durch die Wehrmacht nach Auschwitz deportiert. Eine abenteuerliche Geschichte hat auch der niederländische Interbrigadist Herman Scheerboom zu berichten. Er überlebte wie durch ein Wunder: Im Winter 1938 durchdrang eine feindliche Kugel seinen Kopf.

Burkholz befragte auch Onorina Brambilla Pesce, die im Zweiten Weltkrieg der italienischen Partisaneneinheit Gruppi di Azione Patriottica (GAP) angehörte, in der ihr Mann Giovanni Pesce Kommandant war. Er hatte im Spanienkrieg vor Madrid und an der Aragon-Front gekämpft. Giovanni Pesce nimmt kein Blatt vor den Mund. Offenherzig schildert er, wie er den faschistischen Oberst Cesarini, der an Massendeportationen beteiligt war, aus Rache auf offener Straße in Italien erschoss.

Während der Gespräche werden immer wieder Fotos und andere Zeitdokumente aus den Familienarchiven der Interviewten gezeigt und Kommentare zur historischen Einordnung der persönlichen Erinnerungen eingeblendet. Es bleibt zu wünschen, dass vor allem viele Jugendliche sich diesen Film anschauen, der Einblick in ein Kapitel streitbaren Antifaschismus bietet, aus dem durchaus Lehren für die Abwehr von rechtsradikalem und antidemokratischem Ungeist heute zu ziehen sind.

Premiere am 5. Juli, Central Kino, Rosenthaler Straße 39, 19.30 Uhr; nächste Vorführung am 17. Juli im Kino Babylon nahe Alexanderplatz

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