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Fußball - und was noch?

Netzwoche

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Angela Merkel weilte dieser Tage zum Staatsbesuch in China. Auf Chinas meistgenutzter Mikroblogplattform Sina Weibo war der Begriff »Deutschland« vom 6. bis 9. Juli Top-Thema. Allerdings interessierten sich die meisten nicht für den Besuch der deutschen Kanzlerin, sondern für die Auftritte der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM in Brasilien. Man denkt unweigerlich an die Aussage des ehemaligen schottischen Fußballprofis William Shankly, der sich mit dem Vorwurf von Fußballmuffeln auseinandersetzte, Fans würden das Spiel als eine Frage auf Leben und Tod betrachten. Seine Antwort: »Ich kann ihnen versichern, dass es das nicht ist. Es ist noch sehr viel ernster«. Shankley war im Übrigen Sozialist und der Meinung, dass sich im Fußballsport das politische Ideal des Sozialismus abbilden lasse: jeder in der Mannschaft arbeitet für jeden.

Was lernen wir daraus? Politik und Fußball gehören unmittelbar zusammen. Als Feuilleton-Redakteur sagt sich das so leicht daher; schwieriger ist die Angelegenheit für Politik-Journalisten. ARD und ZDF zum Beispiel müssen während der WM das Kunststück vollbringen, in den Halbzeitpausen der Spiele ihre Nachrichten vom Tage zu quetschen. Bei dieser Übung war in dieser Woche Fingerspitzengefühl gefragt. Mit Anpfiff des Halbfinales zwischen Deutschland und Brasilien, das vom ZDF übertragen wurde, begann die Hamas mit dem Raketenbeschuss von Jerusalem und Tel Aviv. Knapp elf Minuten dauerte in der Halbzeitpause das »heute-journal«. Zwar begann die Sendung mit einem kurzen Bericht über die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten, doch noch während dieser Pflichterfüllung schaltete Moderator Claus Kleber nach Brasilien. Dort wusste der Reporter von einer »Schockstarre« der brasilianischen Fußballfans zu berichten.

Der Medienjournalist Stefan Niggemeier sieht darin einen journalistischen Offenbarungseid. »Es war aufgrund dieses ›heute-journals‹ nicht ganz leicht zu erkennen, wo sich das größere, das purere Drama in jenen Stunden abspielte, im Nahen Osten oder in Brasilien«, schreibt er in seinem Weblog stefan-niggemeier.de. Und weiter: »Es reicht nicht, dass das ZDF die Nachrichten zur Quotenmaximierung in die Mitte eines Fußballspiels gequetscht hat; es muss einen wesentlichen Teil dann auch noch dem Fußball widmen und vors Stadion schalten (...) Die Quote ist das einzige Kriterium, das das ZDF bei diesen Entscheidungen antreibt. Das kann man auch daran erkennen, dass das ZDF sein ›heute-journal‹ in den vergangenen Wochen auch an den Tagen verkürzte, an denen es keinen Fußball zeigte. Wenn in der ARD um 22 Uhr ein Spiel begann, endete dann auch vorzeitig das 21.45-Uhr-›heute-journal‹. Weil die Quote nach Spielbeginn gesunken wäre und das schlecht für die Durchschnittsquote gewesen wäre und das wiederum schlecht für irgendwelche Jubel-Pressemitteilungen über den schönen Zuschauerzuspruch zum vermeintlichen Nachrichtenflaggschiff des ZDF.«

Claus Kleber hat mittlerweile sein Verhalten zumindest teilweise als Fehler erkannt. »Denke, es war richtig, aber Kurve zu hart. Bekam während ISR-Schalte aufs Ohr, dass BRA-Schalte steht. Stress. Sorry«, zitiert der Branchendienst dwdl.de einen Tweet von Kleber im Kurznachrichtendienst Twitter.

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