nd-aktuell.de / 15.07.2014 / Politik / Seite 6

Ökonomie gegen Ökologie

Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht verhandelt über eine neue Elbvertiefung

Roger Repplinger
Darf die Elbe um einen Meter vertieft werden? Ein notwendiger Schritt, um den Hamburger Hafen wettbewerbsfähig zu halten, sagen die einen. Eine Gefahr für die Umwelt, die anderen.

Am Dienstag beginnt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Verfahren um die zwischen Cuxhaven und dem Hamburger Hafen auf 100 Kilometern Länge geplante Elbvertiefung. Das Gericht hatte auf Antrag der Umweltverbände BUND und Nabu im Oktober 2012 die Pläne von Bund und Stadt Hamburg per einstweiliger Verfügung gestoppt, um Fragen des Gewässer- und Artenschutzes zu klären.

Die Pläne der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord und der Stadt Hamburg sehen eine Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe in Tiefe und Breite für 14,50 Meter tiefgehende Containerschiffe vor. Im Moment können Schiffe mit 13,50 Metern Tiefgang nur bei Flut aus dem Hamburger Hafen auslaufen, nach der Anpassung sollen Frachter mit diesem Tiefgang immer und Frachter mit 14,50 Metern Tiefgang bei Flut auslaufen können.

Der Grund für die Anpassung ist ein ökonomischer. Die Zunahme des Welthandels führte zum Bau von Containerschiffen mit einem derartigen Tiefgang, die auf den für Hamburgs Hafen wichtigen Routen zwischen Europa und Fernost verkehren. Ohne Fahrrinnenanpassung werden, so die Befürchtung, Reeder auf andere Häfen ausweichen. Aktuell hängen 155 000 Arbeitsplätze am Hafen Hamburg, mit Fahrrinnenvertiefung seien bis 2015 etwa 168 000 möglich, ohne sei mit einem Rückgang auf 120 000 zu rechnen. »Wenn die Fahrrinnenanpassung der Elbe nicht kommt, wird der Hamburger Hafen unweigerlich an Bedeutung verlieren«, so Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch.

Für die Elbvertiefung von 1991 bis 1999 wurden 14 Millionen Kubikmeter ausgebaggert, für die neue Anpassung werden 38,5 Millionen Kubikmeter veranschlagt. Die Kosten liegen bei 500 Millionen Euro, Hamburg wird sich mit 220 Millionen Euro beteiligen, den Rest trägt der Bund.

Nicht nur in der Samtgemeinde Land Hadeln – dort liegen weite Teile der Marsch unter Meereshöhe – sehen Gegner der Elbvertiefung eine Gefährdung der Deiche durch eine Erhöhung des Wasserstands und der Strömung voraus. Außerhalb Hamburgs herrscht angesichts der Vertiefung Skepsis, der BUND verweist auf den JadeWeserPort (JWP) in Wilhelmshaven mit 600 Millionen Euro Baukosten, für Großfrachter gebaut. Dort werden nur ein bis zwei Schiffe pro Woche abgefertigt. Kommt die Anpassung, bleibt das so, und Hamburg hat den JWP wieder abgehängt.

Nach Auffassung der Umweltschutzorganisationen BUND und Nabu beruhen die Planungen auf falschen Grundannahmen und verstoßen gegen Vorschriften des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzes. Bundesbehörden sind sich bezüglich des Umweltrisikos uneinig. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde schätzt das Umweltrisiko als »mittel« ein. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) empfiehlt die Planungsunterlagen stark »zu überarbeiten«, in vielen Punkten könne der Umweltverträglichkeitsprüfung »nicht gefolgt werden«. Die Einschätzung, dass die Elbvertiefung im Sinne der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu nur unerheblichen Eingriffen führe, teilt das BfN nicht.

Laut BfN kommt nur an der Elbe der Schierlings-Wasserfenchel vor, der nach der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands vom Aussterben bedroht ist. Es handelt sich um eine »endemische Art«, so dass für die Arterhaltung Bund und Länder besondere Verantwortung haben. Eine Richtlinie des Europäischen Rates von 1992 stuft den Schierlings-Wasserfenchel als »prioritäre Art« ein. Dies verpflichtet Deutschland zu Schutzmaßnahmen, die den Erhalt der Art verbessern. »Der Schierlings-Wasserfenchel ist weltweit einmalig, er wächst nur noch im Bereich der Unterelbe«, so Hamburgs BUND-Sprecher Paul Schmid. Die Elbvertiefung bedrohe die letzten Lebensräume der Pflanze. Das Gericht wird, so Hans Aschermann, Leiter des Rechtsamts der Hamburger Wirtschaftsbehörde, die Notwendigkeit der Elbvertiefung nicht anzweifeln, im Kern müssen die Bundesrichter »prüfen, ob der Planfeststellungsbeschluss gegen Europäisches Umweltrecht verstößt oder nicht«.