Allzeit bereit zum Auslandseinsatz

In der Debatte um mehr »deutsche Verantwortung« erhält Bundespräsident Joachim Gauck Unterstützung aus dem Umfeld der Grünen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundespräsident Gauck ist in seinen Ausführungen über eine künftige deutsche Außenpolitik bisher wenig konkret geworden. Klare Vorstellungen werden nun in der Heinrich-Böll-Stiftung formuliert.

Wenn sie über Ralf Fücks berichten, sind bei überregionalen Zeitungen beschäftigte Journalisten zumeist voll des Lobes. Als »Vordenker der Grünen« wird er in der »taz« bezeichnet. Die »Welt« sieht in Fücks einen der »letzten Intellektuellen der Grünen«. Auch wenn er kein führendes politisches Amt mehr bekleidet, hat Fücks als Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung seiner Partei.

In den vergangenen Wochen galt das Interesse des ehemaligen Kommunisten und studierten Sozialwissenschaftlers vor allem der Außenpolitik und Debatten, die Joachim Gauck mit seiner Forderung, Deutschland müsse mehr internationale Verantwortung übernehmen, angestoßen hatte. Für Fücks steht außer Frage, dass der Bundespräsident recht hat. Auf der Website der Heinrich-Böll-Stiftung heißt es über eine Diskussion, die vor kurzem im Berliner Haus der Stiftung stattfand, dass dort alle Podiumsgäste der Meinung gewesen seien, dass »die Bundesrepublik künftig mit einem klaren Bekenntnis zum westlichen Bündnis nicht nur militärisch handlungsfähiger werden, sondern ihren gesamten außenpolitischen Werkzeugkasten sehr viel engagierter nutzen« müsse. Aus Gaucks unklaren Äußerungen wurde somit eine Anleitung zum konkreten Handeln abgeleitet: Deutschland müsse in der NATO verlässlich und öfter bereit für Auslandseinsätze sein. Auf dem Podium der Stiftung saßen neben Politikwissenschaftlern und Journalisten aus Polen, Frankreich und den USA, Ralf Fücks, der Historiker Heinrich August Winkler, Mitglied der SPD, sowie Grünen-Chef Cem Özdemir.

In den 90er Jahren wurde erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder militärische Gewalt zum Mittel deutscher Außenpolitik. Die Grünen, einst Heimat für Pazifisten, spielten hierbei eine wichtige Rolle. Sie unterstützen 1999 als Regierungspartei den völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Fücks sprach rückblickend von einer »einschneidenden Entscheidung«. Doch kurz danach mehrten sich die Zeichen, dass der »progressiven« Entwicklung der deutschen Außenpolitik eine erneute »Regression« folgen könnte, so Fücks.

Nun sieht er trotz der Bundeswehreinsätze in Asien, Afrika und Südosteuropa eine beklagenswerte deutsche Zurückhaltung. Aus Sicht von Fücks ist offenbar noch mehr möglich. Von seinen Gästen erhielt er hierfür viel Zustimmung. Der Historiker Winkler bezeichnete die Entscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung gegen die Beteiligung an der Bombardierung Libyens durch die NATO als »undurchdacht«. Deutschland hatte sich in dieser Frage vor drei Jahren im UN-Sicherheitsrat enthalten. Winkler beklagte, dass sich Berlin gegenüber den westlichen Bündnispartnern USA, Frankreich und Großbritannien isoliert habe.

Ähnlich bewertete Fücks aktuelle Diskussionen. Er berichtete über einen Besuch in Polen, bei dem quer über das politische Spektrum »erhebliche Irritation« darüber geherrscht habe, dass die aufgrund des Konflikts in der Ukraine erfolgte Verlegung von zusätzlichen NATO-Truppen an die polnische Ostgrenze in der deutschen Debatte als »Säbelrasseln« abgetan werde.

Eine Ursache dafür, dass sich die deutsche Politik zuweilen schwertut, militärischen Aktionen zuzustimmen, ist die verbreitete Skepsis innerhalb der deutschen Bevölkerung. Die Ablehnung von Militäreinsätzen der Bundeswehr ist seit Mitte der 90er Jahre gewachsen. Besonders der Kampfeinsatz in Afghanistan ist hierzulande unpopulär und wird inzwischen auch von einigen Grünen deutlich abgelehnt. In der Diskussion der Böll-Stiftung überwog hingegen ein anderer Tenor. Winkler warnte gar von einem neuen »pazifistischen Sonderweg« Deutschlands.

Ein Satz, den sicherlich auch Gauck unterzeichnen würde. Deutschland müsse manchmal auch »zu den Waffen greifen«, hatte er vor kurzem verlangt. Den Zusatz, dass dies nur gilt, wenn es darum geht, Menschenrechte zu schützen, vergaßen weder das Staatsoberhaupt in einem Medieninterview noch die Diskutanten im Haus der Böll-Stiftung. Sie wissen, wer ehrlich ist wie der einstige Bundespräsident Horst Köhler und Militäreinsätze mit der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen in Verbindung bringt, dessen politische Karriere kann sehr schnell vorbei sein.

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