Tariflöhne steigen stärker als die Inflation

WSI-Institut: Gehaltsplus bleibt 2014 größtenteils bei den Arbeitnehmern

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Jahren der Stagnation steigen die Tariflöhne wieder spürbar. Die IG Bau sieht trotzdem noch keine generelle Trendwende und warnt vor allzu großer Euphorie bei den Beschäftigten.

Keine drei Jahre ist es her, da ergab eine Studie des Arbeitsministeriums Nordrhein-Westfalen, dass die Tariflöhne zwischen Rhein und Ruhr in zehn Jahren kaum gestiegen waren. Nach Abzug der Inflationsrate blieb für jeden Arbeitnehmer im Durchschnitt ein Plus von 5,6 Prozent - verteilt auf ein Jahrzehnt! Noch schlechter sah es bei Einbeziehung der nicht-tarifgebundenen Angestellten aus. Hier sank das verfügbare Nettoeinkommen zwischen 2000 und 2011 gar um 2,5 Prozent.

Vor diesem Hintergrund stimmen die neuesten Zahlen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zuversichtlich. Das WSI-Tarifarchiv der Stiftung verzeichnet im laufenden Jahr einen Gehaltszuwachs für Tarifbeschäftigte wie seit 15 Jahren nicht mehr. Nach den Abschlüssen im ersten Halbjahr habe man ein durchschnittliches Plus von 3,1 Prozent errechnet, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) am Mittwoch in Düsseldorf mit.

Dieser Wert liegt über denen der Vorjahre und auch deutlich oberhalb der erwarteten Inflationsrate. Deshalb steigen auch die Reallöhne. Somit wird das Gehaltsplus nicht, wie zu Beginn des Jahrtausends, von den galoppierenden Preisen aufgefressen. »Angesichts einer Preissteigerung von rund 1,1 Prozent in diesem Jahr werden die Tariflöhne im Durchschnitt real um etwa zwei Prozent steigen«, erwartet WSI-Leiter Reinhard Bispinck. »Eine solche Steigerung hatten wir seit 1999 nicht mehr«, so Bispinck. »Diese vorläufige Tarifbilanz zeigt: Die Einkommensentwicklung der tariflich Beschäftigten verläuft positiv.«

Die Tarifabschlüsse im ersten Halbjahr liegen nach Erhebungen des WSI über denen des Vorjahres. In den meisten Branchen wurden Tarifsteigerungen zwischen zwei und vier Prozent vereinbart. In der chemischen Industrie setzte die IG BCE eine Tariferhöhung von 3,7 Prozent bei einer Laufzeit von 14 Monaten durch. Im öffentlichen Dienst lag die Abschlussrate für 2014 etwas niedriger bei durchschnittlich bei 3,4 Prozent. Allerdings gab es für die unteren Entgeltgruppen deutlich mehr - mindestens 90 Euro.

In die Zahlen des WSI-Archivs fließen auch die länger laufenden Tarifverträge aus den Vorjahren ein, die in die erste Jahreshälfte hineinwirken. Die Datenbasis für 2014 sind daher Tarifverträge für insgesamt 16,5 Millionen Beschäftigte. So fließt auch das Ergebnis der Tarifverhandlungen für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie aus dem Jahre 2013 mit ein. Vor einem Jahr hatte die IG Metall ein über zwei Jahre gestaffeltes Gehaltsplus von 5,6 Prozent herausholen können.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnte am Donnerstag vor zu großer Euphorie. »Die Entwicklung geht in diesem Jahr endlich wieder in die richtige Richtung, nachdem Arbeitnehmer viele Jahre Reallohnverluste verkraften mussten. Es ist aber noch zu früh, daraus einen dauerhaften Umschwung abzuleiten«, so der IG-BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger.

Der Gewerkschafter betonte zudem, dass die diesjährigen Tarifverhandlungen bereits unter dem Eindruck des kommenden Mindestlohns geführt wurden. Die Lohnuntergrenze soll ab Januar 2015 deutschlandweit gelten und bei 8,50 Euro liegen. »Der gesetzliche Mindestlohn macht sich in diesem Jahr bei Tariflöhnen positiv bemerkbar. Allerdings ist dies ein Einmaleffekt. Um zu beurteilen, ob wir bei der Reallohnentwicklung tatsächlich wieder auf dem richtigen Weg sind, müssen wir die Tarifrunden 2015 abwarten«, unterstrich Feiger.

Zwar rechnen Experten mit einem weiteren Anstieg der Tariflöhne, allerdings steht das Ganze unter Vorbehalt. Sollte die Konjunktur einbrechen, dann werden die Arbeitgeber sich zurückhaltender zeigen.

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