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Höhere Abschlüsse als im Vorjahr

Bewegung in der Tariflandschaft - eine Zwischenbilanz der Lohn- und Gehaltsrunde 2014

  • Reinhard Bispinck
  • Lesedauer: 8 Min.

Die Tarifrunde 2014 ist zur Jahresmitte bereits in weiten Teilen abgeschlossen. Für einige große und viele kleinere Branchen und Tarifbereiche liegen Abschlüsse vor, die eine fundierte Zwischenbilanz des Tarifjahres erlauben. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Abschlussraten im Vergleich zum Vorjahr erhöht haben, und auch die jahresbezogene Tariferhöhung hat sich deutlich gesteigert. Der neutrale Verteilungsspielraum wurde mehr als ausgeschöpft. Die tariflichen Grundlöhne und -gehälter werden in diesem Jahr preisbereinigt voraussichtlich um knapp 2 Prozent steigen.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Tarifrunde 2014 waren erkennbar besser als die des vergangenen Jahres, denn die konjunkturelle Situation hatte bereits 2013 einen relativ günstigen Verlauf genommen. Das Bruttoinlandsprodukt war seit dem zweiten Quartal 2013 durchweg gestiegen, allerdings blieben die Raten kalender- und saisonbereinigt noch auf bescheidenem Niveau. Im ersten Quartal 2014 hellte sich der Konjunkturhorizont weiter auf, die Wirtschaftsforschungsinstitute hoben ihre Prognosen schrittweise an.

WSI

Regelmäßig analysiert das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in Düsseldorf den Stand der Tarifverhandlungen in Deutschland und die Entwicklung der Tarifabschlüsse in den verschiedenen Branchen. Das 1946 gegründete WSI gehört zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und befasst sich u.a. auch mit den Themen Armut, Rentenpolitik, Gesundheitsreform, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Gleichstellung von Frauen und Männern. Wir dokumentieren auf dieser Seite Auszüge aus dem jüngst vorgelegten Tarifpolitischen Halbjahresbericht 2014.
Vollständiger Text und weitere Informationen im Internet unter www.tarifvertrag.de

Dies schlug sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg um 233 000 (+0,6 Prozent) auf 41,841 Millionen an, bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten fiel der Anstieg mit 1,2 Prozent auf 29,267 Millionen höher aus. Allerdings stieg die Zahl der registrierten Arbeitslosen noch an, was nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit vor allem damit zusammenhängt, dass die Entlastungswirkung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen geringer ausfiel.

Die Gewerkschaften griffen die positive Entwicklung auf: Der DGB nahm den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung zum Anlass, um eine Verstetigung des Wachstums durch Lohnerhöhungen zu fordern. Die Wirtschaft werde im laufenden Jahr preisbereinigt um 1,75 Prozent und 2015 sogar um 2 Prozent wachsen. Getragen werde das Wachstum laut Prognose von einer stärkeren Binnennachfrage, die vor allem von höheren Reallöhnen und Ausrüstungsinvestitionen gestützt wird.

Die Lohn- und Gehaltsforderungen der Gewerkschaften bewegten sich in der diesjährigen Tarifrunde zwischen 4,5 und 7 Prozent und damit in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Für den privatwirtschaftlichen Bereich war die Forderung der IG BCE von 5,5 Prozent für die chemische Industrie eine wichtige Orientierungsgröße. Ebenfalls 5,5 Prozent wurden gefordert in der Druckindustrie, bei den Tageszeitungen, im Bereich Postdienste, Speditionen und Logistik und bei der Deutschen Telekom AG. Die NGG forderte wie bereits in den beiden vorangegangenen Jahren für ihre Branchen zwischen 5 und 6 Prozent sowie tarifliche Mindestentgelte von 8,50 Euro/Stunde.

Allerdings gab es davon auch deutliche Abweichungen. Im Bauhauptgewerbe belief sich das tarifpolitische Forderungsvolumen der IG BAU auf insgesamt 7 Prozent, es beinhaltete neben einer Lohnerhöhung auch weitere Forderungen etwa zur Fahrtkostenerstattung, zur Rentenbeihilfe u. a. m. und markierte damit das obere Ende des Spektrums. Deutlich niedriger fiel die Tarifforderung mit 4,5 Prozent in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie aus. In der Stahlindustrie forderte die IG Metall 5 Prozent mehr Lohn.

In dieser Tarifrunde spielten auch Forderungen mit einer ausgeprägten »sozialen Komponente« eine wichtige Rolle. Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Bund und Gemeinden) forderte ver.di eine Erhöhung der Entgelte um 100 Euro und eine zusätzliche Anhebung von 3,5 Prozent. Dies entsprach umgerechnet einer Forderung von etwa 7 Prozent. Eine gleichlautende Forderung stellte ver.di auch im Bankgewerbe. Bei der Deutschen Telekom sollten die unteren Gruppen überproportional angehoben werden.

Neben den reinen Entgeltforderungen spielten in einigen Tarifbereichen auch qualitative Tarifforderungen eine Rolle: Sie bezogen sich u. a. auf die Übernahme der Ausgebildeten, die Weiterentwicklung von Demografie-Tarifverträgen, die Fortschreibung von Altersteilzeitregelungen und die betriebliche Altersversorgung. In der Stahlindustrie forderte die Gewerkschaft Regelungen zur fairen Gestaltung von Werkarbeit.

Der Kündigungsterminkalender gab folgenden zeitlichen Ablauf der Tarifrunde vor:

- Ende Dezember 2013 liefen die Tarifverträge für die chemische Industrie Nordrhein, Hessen und Rheinland-Pfalz, die Druckindustrie, die private Abfallwirtschaft sowie einige Krankenkassen (AOK, Barmer GEK) aus.

- Ende Januar 2014 endete die Laufzeit der Verträge in den übrigen Bereichen der chemischen Industrie (ohne Saarland, Ost)und bei der Deutschen Telekom AG.

- Im Februar 2014 endete der Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (Bund, Gemeinden) ihr Ende sowie die Tarifverträge der chemischen Industrie Saarland und Ost.

- Ende April standen die Verträge des Bauhauptgewerbes, des Bankgewerbes, der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie Schleswig-Holstein u. a. sowie des Hotel- und Gaststättengewerbes Nordrhein-Westfalen zur Verhandlung an.

- Ende Mai folgten die Eisen- und Stahlindustrie (ohne Saarland) sowie weitere Bereiche des privaten Verkehrsgewerbes.

- Im Juni standen die Kautschukindustrie und die Feinkeramische Industrie Baden-Württemberg, Bayern auf dem Tarifkalender.

Wegen der lang laufenden Abschlüsse aus den Vorjahren gibt es in einigen Branchen in diesem Jahr keine Lohnrunde. Das gilt beispielsweise für die Metall- und Elektroindustrie, den Einzelhandel sowie den Groß- und Außenhandel und den öffentlichen Dienst (Länder).

Ein Blick auf die Tarifabschlüsse zeigt für das erste Halbjahr folgendes Bild:

Februar

Am 5.2. vereinbarten die Tarifparteien für die chemische Industrie eine Anhebung der Entgelte nach einem Nullmonat um 3,7 Prozent, die Gesamtlaufzeit beträgt 14 Monate.

Ein Tarifabschluss für die Tarifgemeinschaft Energie (E.ON u. a.) vom 14.2. brachte eine Erhöhung der Entgelte um 2,4 Prozent ab Februar 2014 und weitere 2,1 Prozent ab Februar 2015 bei einer Gesamtlaufzeit von 24 Monaten bis Januar 2016.

Für die Beschäftigten der ostdeutschen Süßwarenindustrie erreichte die Gewerkschaft NGG am 11.2. eine Steigerung der Tarifentgelte nach einem Nullmonat um 3,0 Prozent ab März 2014 und noch einmal 2,6 Prozent ab März 2015 bei einer Laufzeit von insgesamt 23 Monaten bis Dezember 2015.

März

Am 12.3. erreichte die IG BAU für das Maler- und Lackiererhandwerk einen Tarifabschluss mit 50 Euro Pauschale für 5 Monate sowie 3,2 Prozent Tarifanhebung ab März 2014, weiteren 2,55 Prozent ab Juni 2015 und zusätzlichen Angleichungsschritten in Ostdeutschland. Die Laufzeit des Abkommens beträgt 31 Monate bis April 2016.

Für die bayerischen Brauereien vereinbarte die NGG am 25.3. einen Tarifabschluss mit einer zweijährigen Laufzeit, der zunächst eine Anhebung von 3,0 Prozent ab März 2014 und anschließend eine weitere Steigerung um 2,7 Prozent ab März 2015 vorsieht.

April

Im öffentlichen Dienst (Bund und Gemeinden) erfolgte der Abschluss nach zwei bundesweiten Warnstreikwellen am 1.4. in der 3. Verhandlungsrunde. Er sieht eine Tariferhöhung von 3,0 Prozent, mindestens 90 Euro monatlich, ab März 2014 vor, gefolgt von einer Stufenerhöhung um 2,4 Prozent ab März 2015 bei einer Laufzeit von 24 Monaten bis Februar 2016.

Für die Beschäftigten der Deutschen Telekom AG erreichte ver.di am 9.4. eine Tarifvereinbarung, die nach zwei Nullmonaten eine Anhebung der Tarife um 2,9 Prozent ab April 2014 vorsieht, die Beschäftigten in den oberen Entgeltgruppen erhalten 2,5 Prozent. In der zweiten Stufe erfolgt ab Februar 2015 eine Steigerung um 2,1 Prozent. Auch hier beträgt die Laufzeit 24 Monate.

Die Tarifparteien der Druckindustrie einigten sich am 14.4. in der 5. Verhandlungsrunde auf ein Lohnabkommen, das nach 4 Nullmonaten (Januar bis April) eine Steigerung der Löhne von 3,0 Prozent ab Mai 2014 sowie eine Stufenerhöhung von 1,0 Prozent ab April 2015 vorsieht. Die Laufzeit beträgt 27 Monate. Nach dem Ende der Friedenspflicht Ende Januar wurden die Verhandlungen von massiven Warnstreiks begleitet.

Besonders konfliktreich gestaltete sich die Tarifrunde für die RedakteurInnen an Tageszeitungen, die am 24.4. mit folgendem Ergebnis abgeschlossen wurde: Nach neun Nullmonaten steigen die Gehälter um 2,5 Prozent ab Mai 2014 sowie um weitere 1,5 Prozent ab April 2015 bei einer Laufzeit von 29 Monaten bis Dezember 2015. Außerdem wurde ein neuer Manteltarifvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren bis Dezember 2018 abgeschlossen, der u. a. den schrittweisen Abbau von Urlaubsgeld und Jahresleistung von 1,75 auf 1,5 Monatsgehälter sowie eine Begrenzung des Urlaubsanspruches auf 30 Tage für Neueingestellte vorsieht.

Mai

Im Bauhauptgewerbe gelang die Tarifeinigung am 6.5., die nach einem Nullmonat eine Lohnsteigerung um 3,1/3,8 Prozent (West/Ost) ab Juni 2014 vorsieht. Ab Juni 2015 folgt eine weitere Anhebung um 2,6/3,3 Prozent, Laufzeit insgesamt 24 Monate bis April 2016.

Am 22.5. gelang der Pilotabschluss in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie. Für Westfalen-Lippe vereinbarte die IG Metall eine Pauschale von 160 Euro für vier Monate und eine Tarifanhebung um 3,0 Prozent ab September 2014 mit einer Laufzeit von insgesamt 20 Monaten bis Dezember 2015. Er wurde in den anderen Regionen weitgehend übernommen.

Juni

In der feinkeramischen Industrie West sieht der Tarifabschluss vom 3.6. eine Tarifanhebung von 3,1 Prozent, regional unterschiedlich ab Juni bzw. Juli 2014, vor bei einer Laufzeit von 13 Monaten.

Im privaten Transport- und Verkehrsgewerbe in Nordrhein-Westfalen erzielte ver.di am 23.6. folgende Tarifeinigung: Erhöhung der Tarifverdienste nach einem Nullmonat ab Juli 2014 um 2,0 Prozent, Stufenanhebung um 3,2 Prozent ab Juli 2015. Die Gesamtlaufzeit beträgt 27 Monate bis August 2016.

Im Bankgewerbe einigten sich die Tarifparteien in der 3. Runde am 30.6. auf einen Abschluss, der nach zwei Nullmonaten eine zweigliedrige Tariferhöhung von 2,4 Prozent ab Juli 2014 und weiteren 2,1 Prozent ab Juli 2015 bei einer Laufzeit von 24 Monaten bis April 2016 vorsieht. Eine zusätzliche Einmalzahlung von 150 Euro wird im Januar 2015 gezahlt.

Jenseits der regulären Lohn- und Gehaltsrunde wurden in einigen Branchen auch tarifliche Mindestlöhne ausgehandelt. Das von der Bundesregierung vorgelegte »Tarifautonomiestärkungsgesetz« sieht die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro/Stunde ab Januar 2015 vor. Während einer zweijährigen Übergangsfrist sind tarif- vertragliche Abweichungen möglich. Dazu wurden beispielsweise in der Fleischindustrie und in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau entsprechende Regelungen getroffen.

Die Tarifrunde 2014 ist zwar in weiten Bereichen bereits abgeschlossen, aber im zweiten Halbjahr stehen noch eine Reihe kleinerer Wirtschaftszweige und Tarifbereiche auf dem Kalender. Im Juli sind die Deutsche Bahn AG und das Hotel- und Gaststättengewerbe Bayern an der Reihe. Ende Oktober laufen die Verträge für die Textil- und Bekleidungsindustrie West aus. Eine grundsätzliche Veränderung des bislang beobachtbaren Trends der Tarifentwicklung steht nicht zu erwarten. Die Tarifrunde 2015 wird zu Beginn bestimmt werden von den Verhandlungen im öffentlichen Dienst (Länder) und in der Metall- und Elektroindustrie, wo die Verträge Ende Dezember 2014 auslaufen. Bereits seit dem Frühjahr finden in der IG Metall organisationsinterne Diskussionen über die Forderungsaufstellung statt, sie beziehen sich vor allem auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse (u. a. Werkverträge) und der Arbeitszeit (u. a. Altersteilzeit). Zwischen Februar und April 2015 laufen die Tarifverträge in der chemischen Industrie und in großen Teilen des Einzelhandels sowie im Groß- und Außenhandel aus.

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