Werbung

Verlängerung im »Palais Coburg«

Iranische Seite wartet auf konkrete Zusagen für Lockerung der Sanktionen

  • Knut Mellenthin
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm werden trotz großer Differenzen bis zum 24. November fortgesetzt.

In den seit zwölf Jahren geführten Streit um das iranische Atomprogramm schien in der vergangenen Woche Bewegung zu kommen, als die »New York Times« über einen Vorschlag von Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif berichtete: Iran sei bereit, die Anreicherung von Uran für einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren in ihrem jetzigen Umfang zu belassen, wenn es anschließend so behandelt würde wie jede andere Nation mit einem friedlichen Atomprogramm.

Das Angebot kam kurz vor Toresschluss. Am Sonntag endete die Frist, die sich die Islamische Republik Iran und die Sechsergruppe - bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland - gesetzt hatten, um sich auf ein Abkommen zur Lösung des Konflikts zu einigen. Der Vertrag soll für einen noch zu vereinbarenden Zeitraum genau die Höchstmenge der Urananreicherung und sogar die Standorte einzelner Anlagen festlegen. Die USA und ihre europäischen Partner wollen unter anderem die Schließung der Produktionsstätte Fordo erzwingen, die fast unangreifbar in einem Bunkersystem unterhalb eines Bergmassivs liegt.

Sarifs jüngstes Angebot blieb nicht lange unbeantwortet. US-Außenminister John Kerry sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz, dass Iran seine derzeitige Anreicherungskapazität nicht nur einfrieren, sondern deutlich verringern müsse. Der tiefe Gegensatz in dieser zentralen Frage zeigt, wie weit die Positionen der verhandelnden Staaten auseinander liegen. Das hinderte sie aber nicht, ihre Verhandlungen auch über den 20. Juli hinaus fortzusetzen. Dass eine Seite die Verantwortung für den Abbruch der Gespräche auf sich nehmen würde, war auch kaum vorstellbar. Zumal jetzt, wo alle Beteiligten die »positive, kon᠆struktive Atmosphäre« der Verhandlungen im historischen Wiener Luxushotel »Palais Coburg« hervorheben und unbestimmt sogar von »Fortschritten« sprechen. Wesentlich mehr zu sagen ist eigentlich nicht gestattet, da die sieben Staaten Vertraulichkeit vereinbart haben. Dieses System hat bisher erstaunlich gut funktioniert, zeigt aber erste Risse.

So griff Irans religiöser Führer Ajatollah Ali Khamenei vor Kurzem öffentlich in die Debatte ein, indem er die von Iran benötigte Anreicherungskapazität mit 190 000 SWU (spezielle Maßeinheit bei der Urananreicherung) pro Jahr bezifferte. Die Zahl steht in einem allgemein zugänglichen Fachartikel, war genau genommen also kein Geheimnis. Sie bezieht sich auf den Brennstoffbedarf eines Atomkraftwerks wie die von russischen Firmen gebaute Anlage bei Buschehr.

Zum Verständnis der Dimension: Iran führt die Anreicherung zur Zeit mit 15 500 Gaszentrifugen durch, von denen jedoch aus technischen Gründen immer nur etwa die Hälfte in Betrieb ist. Es handelt sich ausschließlich um Geräte eines in den 70er Jahren entwickelten, veralteten Typs, die wenig effektiv und sehr störanfällig sind. Die Kapazität liegt bei 15 000 SWU pro Jahr. Die USA-Regierung will durchsetzen, dass Iran noch weniger Zentrifugen einsetzen darf als gegenwärtig. Experten, die den Republikanern nahe stehen, wollen den Iranern weniger als 5000 SWU pro Jahr gestatten. Das wäre eine rein symbolische Größenordnung ohne praktischen Wert. Irans ohnehin schon stark reduziertes Ziel, wenigstens die Brennelemente für ein einziges AKW selbst zu produzieren, um Unabhängigkeit zu demonstrieren, wäre damit gestorben.

Gleichzeitig ist ungewiss, mit welchen Sanktionserleichterungen Iran wirklich rechnen kann, falls es dem Westen Zugeständnisse macht. Die Grundsatzvereinbarung der sieben Staaten vom 24. November sieht zwar vor, dass nach Unterzeichnung eines Vertrages zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms alle »nuklearbezogenen« Strafmaßnahmen aufgehoben werden sollen. Viele Sanktionen der USA - und das sind bei weitem die schwerstwiegenden - wurden aber auch mit der angeblichen Unterstützung Irans für Terrorismus, einer »Destabilisierung des Nahen Ostens« oder dem iranischen Raketenprogramm begründet.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal