Ruhe vor dem Sprung

Berliner Bäderbetriebe setzen in immer mehr Freibädern auf Antikonfliktteams

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Gerade im Hochsommer kommt es in Berlins Freibädern immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Badegästen. Konfliktlotsen sollen die Situation beruhigen - ein Pilotprojekt wird nun ausgeweitet.

Wie so oft in diesen Tagen ist es auch am Mittwoch voll im Freibad Pankow. Aufgrund der Ferienzeit zieht es besonders Kinder und Jugendliche schon in den Vormittagsstunden ins Sommerbad. Rasch bildet sich an der Treppe zur großen Wasserrutsche eine Warteschlange. Eine Abkühlung will bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius jeder, doch nicht alle Badegäste behalten dabei einen kühlen Kopf. »Bitte nicht drängeln«, sagt Ayse Beyazdag mit bestimmenden, aber dennoch freundlichen Ton zu einem Jungen, der sich gerade vordrängeln will.

Die junge Frau ist Teil des mehr als 30-köpfigen Antikonfliktteams der Initiative »Bleib cool am Pool«. Vor vier Jahren als Reaktion auf die zunehmende Zahl von Auseinandersetzungen in Berliner Freibädern - darunter vor allem im Columbiabad Neukölln und im Prinzenbad in Kreuzberg - von den Berliner Bäderbetrieben, der Polizei und der Gesellschaft für Sport- und Jugendsozialarbeit (GSJ) ins Leben gerufen, wird das Projekt in diesem Jahr ausgeweitet. Waren die Konfliktlotsen bisher nur in den Bädern in Neukölln und Kreuzberg anzutreffen, sind sie seit dem Beginn der Sommerferien auch in den Bädern in Buckow, Pankow und im Bad am Spreewaldplatz in Kreuzberg unterwegs.

»Die Lotsen sollen als Ansprechpartner für die Badegäste da sein und mögliche Konflikte bereits im Vorfeld erkennen«, erklärt Hartmut Kurzhals von der der GSJ. Beyazdag ist bereits im zweiten Jahr dabei. Am Anfang hatte es die junge Türkin teilweise schwer, sich bei einigen Badegästen durchzusetzen. »In den ersten Tagen haben uns viele Jugendliche nicht ernst genommen und einfach ignoriert«, erzählt die 30-Jährige. Doch inzwischen sei die Arbeit viel leichter geworden, auch weil viele regelmäßige Badegäste die Konfliktlotsen durch die ständigen Kontrollgänge teilweise schon mit Namen kennen.

In der Regel sind es nur kleinere Streitigkeiten, bei denen die meist in Zwei- bis Dreiergruppen arbeitenden Antikonfliktlotsen beruhigend auf die Badegäste einwirken. Oft geht es dabei um ungeduldige Besucher, die in den Schlangen vor der Wasserrutsche oder dem Springturm die vor ihnen Wartenden bedrängen oder sich vordrängeln wollen. »In solchen Momenten helfen klare Ansagen«, sagt Konfliktlotse Ibrahim El-Noumeiri.

Die ehrenamtlichen Helfer seien aber nicht dazu da, die Aufgaben der Rettungsschwimmer, des Sicherheitspersonals und der anderen Mitarbeiter in den Freibädern zu übernehmen, sondern diese lediglich zu ergänzen, versichert Bäderchef Ole Bested Hensing. Im Ernstfall könnten die Konfliktlotsen aber helfend eingreifen. Zu ihrer viermonatigen Ausbildung gehörte neben dem Konflikttraining, auch Schwimmunterricht sowie Maßnahmen in Erster Hilfe.

Für Beyazdag und ihre Kollegen gibt es immer wieder Situationen, in denen sie besonders Ruhe bewahren müssen. »Manchmal wurden wir auch schon von Gästen beleidigt, aber da muss man einfach weghören«, sagt Beyazdag. Typisch sei dies etwa, wenn um 18 Uhr der Sprungturm geschlossen werde, damit die Schwimmer in Ruhe ihre Bahnen ziehen können, was sonst im hektischen Tagesgeschäft schwer möglich ist, allerdings längst nicht bei allen Gästen auf Verständnis stößt. Eine Situation, die ein Jahr vor dem ersten Einsatz der Antikonfliktlotsen im Sommerbad Pankow zum Polizeieinsatz führte.

Etwa 60 Jugendliche hielten Anfang August 2013 den Sprungturm und die Rutsche trotz Schließung besetzt, das Personal und der Wachschutz waren überfordert. Ähnliches ereignete sich auch in diesem Jahr: Zu Pfingsten musste die Polizei das Columbiabad gleich drei Mal hintereinander räumen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Konfliktlotsen noch nicht wieder im Einsatz, ihre Saison erstreckt sich bisher nur auf die Sommerferien und dann auch nur auf das Wochenende und zusätzlich an besonders heißen Tagen. Damit die Stimmung auch dann nicht hochkocht, denken die Bäderbetriebe bereits über eine weitere Ausweitung des Antikonfliktprojektes nach.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal