Überleben nach der Apokalypse

Endzeitliches Science-Fiction-Epos: Margaret Atwoods »Geschichte von Zeb«

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Die 1939 geborene kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood ist keine reine Science-Fiction-Autorin, sie nutzt das Genre aber immer wieder für ihre gesellschaftskritische Literatur. So legte sie 1985 mit dem »Report der Magd« einen viel beachteten und von Volker Schlöndorff erfolgreich verfilmten dystopischen Roman über eine totalitäre zukünftige US-Gesellschaft vor. Auch ihr neuestes Buch »Die Geschichte von Zeb« ist eine Anti-Utopie, die aber etwas radikaler gleich vom Ende jeglicher menschlicher Zivilisation erzählt. Der Roman ist der Abschluss einer Trilogie. Auch wenn Figuren und Handlungsstränge aus den beiden ersten Romanen hier wieder auftauchen bzw. fortgesetzt werden, kann »Die Geschichte von Zeb« unabhängig von den beiden anderen Teilen »Oryx und Crake« (2003) und »Das Jahr der Flut« (2009) gelesen werden.

In einer nicht allzu fernen Zukunft ist die Menschheit durch eine Pandemie fast völlig ausgelöscht worden. Einige wenige Überlebende existieren inmitten des Zivilisationsmülls und versuchen sich zurechtzufinden. Bedroht werden sie von riesigen genmanipulierten Schweinen, die vor der Katastrophe gezüchtet wurden, um als Nahrungsmittel und als Ressource für Transplantationen zu dienen. Außerdem treiben ehemalige verurteilte Straftäter ihr Unwesen, die zuvor als eine Art Gladiatoren im medialen Spektakel der untergegangenen globalisierten Gesellschaft auf Leben und Tod miteinander kämpften. Jetzt laufen sie als sadistische Mörder durch die Gegend. Der Titel gebende Zeb ist Mitglied einer Gruppe ehemaliger Systemgegner, die zuvor noch versuchten, als Angestellte der großen und mächtigen Konzerne innerhalb des Systems subversiv Wirkung zu entfalten. Der Nutzen war eher gering.

Nach dem apokalyptischen Zusammenbruch jeglicher zivilisatorischer Ordnung organisieren sie sich als eine der letzten Überlebenden in einer Kommune und kümmern sich um die sogenannten Crakes. Diese menschenähnlichen Wesen sind genmanipuliert, erschaffen hat sie der ebenso geniale wie größenwahnsinnige Wissenschaftler Crake, der auch das alles auslöschende Virus entwickelt und freigesetzt hat, an dem fast die ganze Menschheit zugrunde ging.

Crake wollte die Welt nach seinen eigenen Vorstellungen verändern und vermeintlich besser machen. Er selbst hat die Katastrophe nicht überlebt. Die von ihm erschaffenen Crakes leben als kommunitäre Gruppe wie in einem Rudel friedlich mit der Natur zusammen, verfügen über keinerlei Technologie, ernähren sich ausschließlich vegan und erinnern in ihrer naiven Art an Kinder. Sie sollten in den wahnhaften Plänen Crakes den Grundstein für eine neue und bessere menschliche Zivilisation bilden.

»Die Geschichte von Zeb« besteht ebenso wie die beiden anderen Romane der Trilogie aus zahlreichen Rückblenden. Margaret Atwood erzählt detailliert über die vorapokalyptische Gesellschaft. Die Eliten lebten in abgeschotteten Vierteln, im sogenannten Plebsland wohnten die meisten Menschen unter zum Teil miserablen Bedingungen, Gewalt war an der Tagesordnung. Neben einer ausgefeilten Klontechnologie gab es ausufernde virtuelle Welten, die ebenso zur Unterhaltung wie zur Überwachung der Menschen dienten. Diese hochgradig technologisierte Welt kontrastiert mit der postapokalyptischen Gegenwart, in der die Mitglieder der Kommune glücklich sind, wenn sie noch nicht abgelaufene Lebensmittel und Seife in einem geplünderten Drogeriemarkt finden. Margaret Atwood verknüpft die einzelnen Handlungsstränge zu einem komplexen und spannenden Roman. Zebs Lebensgeschichte steht dabei im Zentrum. Die reicht von der Kindheit in einem autoritär-religiösen Elternhaus über seine Flucht quer durch die nördliche Hemisphäre der USA bis hin zur Kommune, deren Mitglieder schließlich die letzte Schlacht schlagen müssen, um das Überleben der Handvoll übrig gebliebenen Menschen in der neuen Umgebung zu sichern. Denn ob diese Gruppe und die genmanipulierten Crakes zusammen wirklich überlebensfähig sind, hängt letztlich von ihrer Bereitschaft ab, solidarisch aufeinander einzugehen und sich mit den neuen und absurden Gegebenheiten nach der Apokalypse zu arrangieren.

Margaret Atwood: Die Geschichte von Zeb. Roman. Übersetzt v. Monika Schmalz. Berlin Verlag, 480 S., geb., 22,99 €.

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