Muster verraten Umweltbedingungen

Reich verzierte Schalen der längst ausgestorbenen Ammoniten deuten auf ein Leben in flacherem Wasser, schlichte Schalen auf Hochsee-Tauglichkeit. Bremer Wissenschaftler fanden Hinweise darauf anhand von 3-D-Modellen der Fossilien

  • Alice Bachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch seine Spezies nehme weltweit ab, sagt der jüngst von der »Richard Owen Award« der Palaeontographical Society in London als erster Nicht-Brite ausgezeichnete Bremer Geowissenschaftler Jens Lehmann im Gespräch mit dem »nd«. Wobei »seine Spezies« Menschen meint, die sich der Erforschung der Erdfrühgeschichte widmen.

Lehmanns Fachgebiet sind die vor über 65 Millionen Jahren ausgestorbenen Ammoniten. Dass es diese Tiere gab, die zeitgleich mit den Dinosauriern lebten und ausstarben, wissen Lehmann und seine Kollegen durch massenhafte Funde ihrer versteinerten Schalen. Die erinnern zwar an Schneckenhäuser, aber laut Lehmann sind die Ammoniten nicht gekrochen, sondern schwebten im Wasser, was sie eher in die Nähe der heute lebenden Tintenfische rückt.

Die Geowissenschaftliche Sammlung an der Uni Bremen, die Lehmann leitet, besitzt rund 250 000 Exponate, darunter Ammoniten-Schalen in unterschiedlichen Größen und aus einer breiten Zeitspanne: jünger als 350 Millionen Jahre und älter als 65 Millionen. Die genaue Altersbestimmung sei mittels radioaktiver Zerfallsdaten möglich, so Lehmann.

Von Exponaten werden 3-D-Modelle hergestellt zur genaueren Untersuchung der Morphologie, also Struktur und Form der Ammoniten. Die Messungen an den Modellen geben auch Aufschluss darüber, welche Entwicklung die Ammoniten in den Jahrmillionen ihres Vorkommens durchmachten. Zudem sollen sie klären helfen, welche Gattungen, Arten und Unterarten zu den Ammoniten gehörten. Schließlich, so Lehmann fast ein bisschen wehmütig, sei über Dinosaurier weit mehr bekannt als über deren im Meer lebende »Zeitgenossen«, die Ammoniten. Die bilden wegen der langen Zeit ihres Vorkommens für die Wissenschaft die Grundlage zur Altersbestimmung von Sedimenten.

Die Analysen der Fossilien haben zum Beispiel ergeben, dass sich in den Schalen Hohlräume, »gasgefüllte Apparate« befanden, die den Tieren im Wasser Auftrieb gaben. Welche und wie viele Weichteile die Ammoniten hatten, und wie diese aussahen, ist allerdings noch weitgehend ungeklärt.

Bei Hobby-Fossilien-Sammlern sind die Ammoniten besonders wegen ihrer geriffelten Schalen beliebt. Die Riffelung ergibt zum Teil wunderschöne Ornamente. Lehmann geht davon aus, dass die Tiere mit schlichteren Schalen besser schwimmen konnten und daher hochseetauglich waren. Reich verzierte, kompaktere Schalen deuten für den Geowissenschaftler hingegen auf flacheres Wasser. Diese Annahme soll zusammen mit dem 3-D-Verfahren genutzt werden, zu einem feineren Zeitraster der Evolution in jener Periode zu kommen. Kombiniert werden die durch die Arbeit mit den Modellen gewonnenen Daten unter anderem mit Erkenntnissen über den Sauerstoffgehalt einzelner Wasserschichten und Meeresspiegelverschiebungen sowie über das Verschwinden und Neu-Entstehen von Ammoniten-Arten.

Dass trotz knapper werdender Ressourcen und schrumpfender wissenschaftlicher Gemeinde die Geowissenschaftliche Sammlung in Bremen weiter wächst, liegt nicht nur an vielen Exkursionen des Forschers und seiner Studierenden, auch aus der Hobby-Szene kommt so manches Exponat. Und zwar werden der Bremer Sammlung nicht nur einzelne Stücke angeboten, sondern auch aus vielen Fossilien bestehende Erbschaften zuteil. Und unter denen befinden sich laut Lehmann immer wieder auch interessante Ammoniten.

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