nd-aktuell.de / 30.07.2014 / Politik / Seite 7

Gaza unter Dauerbeschuss

Impressionen aus einer sterbenden Stadt

Martin Lejeune, Gaza-Stadt

Eine Spielzeugpistole schwimmt in einer Blutpfütze. In einer anderen Blutlache liegen Sandalen, die einem der acht Kinder gehörten, die bis vor wenigen Minuten noch lebten. Acht Kinder und drei Erwachsene wurden am Montagnachmittag gegen 17 Uhr Ortszeit Opfer einer starken Explosion am Eingang des Parks nahe eines Flüchtlingslagers am Meeresstrand. Mindestens weitere 40 Personen wurden zum Teil sehr schwer verletzt.

Der Ort der Explosion ist ein Ort des Grauens. Die Palästinenser machen einen israelischen Luftangriff für die Explosion am Park verantwortlich, ein Sprecher des israelischen Militärs bestreitet dies und macht eine fehlgeleitete Rakete der Hamas für das Massaker verantwortlich.

Wenige Stunden später: eine derzeit ganz normale Nacht in Gaza-Stadt. Kampfjets donnern mit gewaltigem Lärm im Tiefflug über Gaza-Stadt, ihr Schall findet seinen Widerhall zwischen den Wänden der Hochhäuser, die noch stehen. Etwa alle 30 Sekunden feuern sie eine Rakete ab. Das omnipräsente Sirren der Kampfdrohnen, die über jedem Viertel des Gaza-Streifens kreisen, klingt wie das Motorengeheul im TV bei einer Formel-1-Übertragung.

Es ist eine erschreckende Darbietung militärischer Zerstörungskraft, deren Dauerbeschuss aus der Luft, vom Land und von der See die Bevölkerung des Gaza-Streifens in dieser Nacht kollektiv in Todesangst versetzt.

Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich nicht im Al-Deira Beach Hotel am Strand von Gaza, in dem die ausländischen Korrespondenten Schutz suchen, sondern im Wohnhaus einer muslimischen Familie im Zentrum von Gaza-Stadt. Ich höre, wie in den Nachbarwohnungen kleine Babys ohne Unterbrechung schreien, verängstigte Kinder in den Armen ihrer Mütter weinen, die Erwachsenen fluchen.

Die Bombardierungen begannen um 23.30 Uhr Ortszeit mit heftigen Fliegerangriffen auf das Flüchtlingslager Bureji im Zentrum des Gaza-Streifens. Der Beginn eines Dauerbeschusses einer kleinflächigen Stadt, die mit ihren Hunderttausenden Einwohnern zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Welt gehört.

Was ich später vom Balkon sehe, sind nicht mehr die Straßen von Gaza-Stadt, wie ich sie kenne. Vor meinen müden Augen erstreckt sich eine Trümmerlandschaft, breitet sich das Panorama eines Infernos aus.

Am Dienstagmorgen, auf dem Weg in das Al-Deira Beach Hotel, um diesen Text zu senden, wird das Ausmaß der Zerstörung dieser Nacht deutlich. Überall auf den Straßen liegen Scherben und Trümmern. Jetzt sehe ich auch die völlig zerstörte Al-Amin-Moschee.