Gegen die da oben, die da unten und die da draußen

»Unser Land geht vor«: Mit rechtem Populismus zieht die »Alternative für Deutschland« in ihrer Hochburg Sachsen in den Wahlkampf

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die »Alternative für Deutschland« rechnet in Sachsen fest mit dem ersten Einzug in einen Landtag. In der Kampagne spielen Populismus und nationale Töne eine große Rolle.

Frauke Petry ist offen: »Wir sind Hobbypolitiker«, sagt die Chefin der »Alternative für Deutschland« (AfD) in Sachsen, »wir lernen noch.« Gemessen daran, wird der Wahlkampf, mit dem am 31. August der erste Einzug in einen Landtag besiegelt werden soll, professionell aufgezogen: Es gibt ein Flugzeug mit Banner und 60 000 Plakate, eine Zeitung und Werbetouren an der Elbe sowie auf Rügen. Parteiprominenz kommt, und Wahlstände werden sogar von Helfern aus anderen Bundesländern betreut.

Die Bemerkung, mit der sie dort am häufigsten konfrontiert werden dürften, ahnt Petry schon: Die AfD sei eine rechte Partei. Das, sagt die 39-jährige Unternehmerin, »stört uns sehr«. Auf entsprechende Vorwürfe der politischen Konkurrenz reagiert die Partei gereizt. Rechtsextreme habe man in den eigenen Reihen höchstens einmal entdeckt, sagt Michael Muster, Jurist im Landesvorstand: Gegen das Dresdner Ex-Kreisvorstandsmitglied Sören Oltersdorf, der durch Besuche bei Veranstaltungen der NPD-Jugend für Aufsehen sorgte, laufe aber ein Verfahren auf Parteiausschluss.

Statt als rechts möchte die AfD gern als bürgernah und an der Sache orientiert gesehen werden; in dem Flyer, den alle sächsischen Haushalte vor der Wahl erhalten sollen, geriert sie sich gar als Hüter der Revolution vom Herbst 1989. Die habe sich gegen Bevormundung und Mangelwirtschaft gerichtet; heute herrschten - Bevormundung, Kriminalität und die Vernichtung von Volksvermögen. »Sind wir dafür aufgestanden?«, steht neben einem Konterfei von Petry, die im Herbst 1989 freilich gerade 14 war.

Der rechtspopulistische Charakter der Partei zeigt sich dennoch vielerorts. Gewettert wird gegen unfähige Regierende und die »Alt-Parteien«, gegen Einwanderer, die sich nicht integrieren wollen, oder gegen Kriminelle, die in der Regel aus dem Ausland kommen: »Sichere Grenzen statt grenzenloser Kriminalität«, lautet ein Slogan auf einem Großplakat. Dagegen müssten eigene Belange verteidigt werden: »Unser Land geht vor«, heißt es am Ende des 90-sekündigen Wahlwerbespots. Es gehe, sagt Christian Demuth von der Initiative »Bürger Courage«, »gegen die da oben, die da unten oder die da draußen«.

Selbst scheinbar liberale Forderungen betrachtet der Politikwissenschaftler unter diesem Blickwinkel. So kündigte die AfD gestern an, während des Wahlkampfs Unterschriften für niedrigere Hürden bei Volksanträgen und Volksbegehren sammeln zu wollen. Ähnliche Forderungen erheben LINKE und Grüne seit langem. Aufschlussreich ist allerdings, zu welchen Fragen die AfD die Bürger befragen will. In ihrem Wahlprogramm nennt sie zwei konkrete Beispiele: die Rückabwicklung von Kreis- und Gemeindefusionen - und Abstimmungen über »Moscheebauten mit Minaretten«. Diese müssten »von der ansässigen Bevölkerung akzeptiert werden«, heißt es in einem Passus, in dem auch staatliche Kampagnen für Weltoffenheit als bloße »Integrationsfolklore« diffamiert werden.

Zum Bild passt auch, dass die AfD in ihrem sächsischen Wahlprogramm den Klimawandel als »widerlegt« bezeichnet oder dass ihr Spitzenkandidat in Thüringen gegen die angebliche »Frühsexualisierung« an Schulen und die Inklusion wettert. In Sachsen hatte ein Ex-Landesvize mit abfälligen Äußerungen über Behinderte für Aufsehen gesorgt; er trat danach immerhin zurück - dem Vernehmen nach auf Drängen Petrys. Von ihr sind derlei kontroverse Thesen nicht zu hören; sie plädiert lieber für eine »aktive Bevölkerungspolitik« und propagiert die klassische Familie mit drei Kindern als »Leitbild«. Auf politische Korrektheit ist sie aber ebenfalls nicht gut zu sprechen. Provokation sei nötig - »wohlgemerkt: in den Grenzen des Grundgesetzes«, wie sie anfügt.

Bei Sachsens Wählern kam das bisher gut an. Zur Europawahl im Mai erreichte die AfD im Freistaat ihr bundesweit bestes Ergebnis und wurde mit 10,1 viertstärkste Kraft. Ende August soll der nächste Paukenschlag folgen. »Wir wollen uns«, sagt Petry, »langfristig etablieren.«

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