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Ein Tisch ist ein Tisch

Die Schau Rohkunstbau verschreibt sich der Revolution

  • Martina Jammers
  • Lesedauer: 3 Min.

Man kann auch mit Farbe kicken. Dies beweist der Finne Robert Lucander, der aus jeder Ecke seines Raumes Farbdosen schleudert, deren Inhalt sich über die gediegenen Dielenboden ergießt. Die Aktion lässt an Farbbeutelwerfen und Proteste denken - und dies ausgerechnet im Herrensitz der Familie von Katte. Ergänzend malt er in bewusst naiver Manier Fahnenanordnungen auf den Holzgrund. Mit »WM 14« will er Kritik üben am exzessiven Kapitalismus der überfinanzierten FIFA-Welt. Auf seinem letzten Bild prangt bewusst auf der linken Seite die französische Trikolore, die bekanntlich während der Französischen Revolution entstand.

Zum zwanzigsten Mal jährt sich nun bereits die allsommerliche Ausstellung »Rohkunstbau«. Und seit drei Jahren lässt sich Kurator Mark Gisbourne von Wagners »Ring der Nibelungen« inspirieren. Diesmal heißt von »Siegfried« ausgehend das Motto »Revolution«. Durchaus in einem skeptischen Sinne: Kann Kunst heute überhaupt noch revolutionär sein? Die Polin Alicja Kwade führt uns einen gebremsten Umbruch vor, wenn sie zwei Steinhälften auf beiden Seiten der Fensterscheibe anbringt. Das Glas ist also trotz des scheinbar brachialen Akts unversehrt. Paradox auch ihre Arbeit »Gegen den Lauf«: Immer dann, wenn bei einer alten Uhr aus den 1920er Jahren der Sekundenzeiger nach rechts ruckelt, bewegt sich die Uhr in gleichem Abstand nach links. An einem in vier Teile zersägten Tisch, in dessen Schnittkanten Kwade Spiegelplatten eingefügt hat, ist die mit einem Tisch assoziierte Kommunikation ziemlich vereitelt.

Bestimmte Purifizierungen, die unerlässlich sind bei einer Revolution, greift Markus Keibel in seiner Installation »Brockhaus Band 1-18« auf. Achtzehn überdimensionierte Glasröhren nehmen die sterblichen Überreste des berühmten Lexikons in der 21. und letzten Auflage von 2005 auf. Keibel hat die Bände eingeäschert. Was anmutet wie ein konterrevolutionärer Akt der Zensur entpuppt sich als Kritik an den Lesegewohnheiten unseres Zeitalters. Der Künstler hinterfragt den inflationären, digitalen Informationskonsum. Schon immer war das Feuer das erste der Elemente, der Heilige Geist steigt mit Flammenzungen zu den Menschen herab. Eine Art »Abstimmung mit den Füßen« lässt sich bei Nevin Aladağ feststellen. Zum einen kombiniert sie einen Werkzeughammer mit einem Absatzschuh. Zum anderen hat sie mit diesem Hybrid ihre Metallbilder traktiert, die sich nun als Anhäufung von Dellen präsentieren. Natürlich kommen einem beim Thema »Revolution« der Arabische Frühling in den Sinn, der zum aggressiven Bürgerkrieg mutierte. Lakonisch stellt Aladağ einen Paravent mitten in den Saal, für den sie handgeknüpfte Perserteppiche und industriell gewebte europäische oder asiatische Textilprodukte zu einem neuen geometrischen Muster zusammensetzt: ein Objekt, mit dem sie Grenzen überwinden möchte und einem singulären Kulturverständnis ein postnationales, revolutionäres gegenüberstellt.

Der Maler Erik Schmidt setzt sich in seiner »Downtown«-Serie mit der Occupy-Bewegung in New York, die er 2011 in der Stadt miterlebt hat. Der Zuccotti-Park in der Nähe der Wall Street wird von Demonstrierenden besetzt und in ein Zeltlager verwandelt. Schmidts großformatige, pastose Gemälde erscheinen wie die Übersetzung von Fotografien auf die Leinwand. Er schafft so Historienbilder der Gegenwart. Nassan Tur arbeitet oft performativ, so wenn er in seiner Arbeit »Variationen von Kapital« von einem Computerprogramm 41 000 Schreibweisen des Wortes »Kapital« entwerfen ließ, welches phonetisch immer gleich klingt. Für »Rohkunstbau« schuf Tur seine Fotoarbeit »Time for Revollusion«. Der Künstler ist dabei selbst zu sehen, wie er diese Worte als Schriftzug in Rot auf eine weiße Mauer sprüht. Ist es ironisch oder schon zynisch, wenn er durch das verbale Verschmelzen von »Revolution« und »Illusion« Aufbegehren und Kapitulieren zusammenfügt. Schaut man sich die aktuelle Situation in Syrien an, liegen die beiden Begriffe nicht weit auseinander.

Die Ausstellung XX. Rohkunstbau »Revolution« findet bis zum 21. September auf Schloss Roskow im Landkreis Potsdam-Mittelmark statt. Katalog

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