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Tödlicher Badeunfall abgehakt

Ermittlungen gegen Bademeister nach Ertrinken eines Kameruners im Plötzensee eingestellt

  • Paul Liszt
  • Lesedauer: 4 Min.
Polizei und Staatsanwaltschaft sind sich sicher: Der Verdacht, ein Bademeister habe einen Kameruner absichtlich ertrinken lassen, hat sich nicht bestätigt. Linke Gruppen planen weitere Aktionen.

Die Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft ist eindeutig. Die gemeinsamen Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Verhalten von Bademeister Mike Z. ergeben, heißt es. Kaum zwei Wochen nach dem Tod von Aneck E. werden die Ermittlungsakten in dem Fall damit geschlossen. Der 35-jährige Mann aus Kamerun war am Samstag vor zwei Wochen im Plötzensee baden. Als er direkt gegenüber vom dortigen Strandbad ins Wasser ging, geht der laut Polizei »unter erheblichen Alkoholeinfluss« stehende Nicht-Schwimmer plötzlich unter. Zeugen ziehen ihn aus dem Wasser. Trotz sofortiger Reanimation und Rufen eines Notarztes verstirbt der 35-Jährige.

Mike Z., Bademeister und ausgebildeter Rettungsschwimmer, ist zu dieser Zeit etwa 120 Meter von der Stelle entfernt mit dem Aufstellen von Sonnenschirmen beschäftigt. Von seinem Arbeitsplatz besteht freie Sicht auf die Unglücksstelle. Polizei und Staatsanwaltschaft sind dennoch überzeugt, dass er erst von dem Unfall erfuhr, als es zu spät war. Berichte von Augenzeugen in einer Boulevardzeitung hatten indes ein anderes Bild gezeichnet. »Ich habe gedacht, ich rede gegen eine Wand«, er habe einfach weiter gemütlich Sonnenschirme aufgebaut», erinnert sich ein Zeuge. Er habe beobachtet, wie Aneck. E. unterging und war zum Strandbad hinüber geschwommen, um dort Hilfe zu holen. Mike Z. verteidigte sich indes gegenüber der Zeitung. Er habe nicht sehen können, was vor sich gegangen sei. Gleichzeitig gab er jedoch an, die Personen am anderen Ufer Stunden zuvor bemerkt zu haben.

Auf diesen Widerspruch weist die linke Gruppe «Northeast Antifascists» hin, die am vergangenen Freitag eine Kundgebung wegen des Vorfalls organisiert hatte. Die Gruppe macht auf die Vergangenheit des Bademeisters aufmerksam: Mike Z. soll noch 2009 als Vizeorganisationsleiter für den rechtsextremen Neuköllner NPD-Kreisverband tätig gewesen sein. Im Anschluss soll er der rechtsextremen Kameradschaft «Freie Nationalisten Berlin-Mitte» angehört haben, die durch Angriffe auf politische Gegner und Migranten sowie Sachbeschädigungen auffiel. Fotos zeigen Z. 2010 gemeinsam mit Mitgliedern der Gruppe bei zwei Demonstrationen in Brandenburg. Auf einem weiteren Foto ist Mike Z. zu sehen, wie er seinen Arm zum «Hitlergruß» hebt.

Die Antifaschisten stellen jetzt die Frage, inwieweit zwischen der Vergangenheit von Z. und der von den Zeugen kritisierten zögerlichen Hilfe für den Afrikaner ein Zusammenhang bestehen könnte. «War Rassismus wieder das Motiv?», hieß es auf einem Transparent, dass vor dem Stadtbad Plötzensee bei einer Kundgebung gezeigt wurde. In eine ähnliche Richtung gingen mehrere im Nachgang des Vorfalls erstattete Strafanzeigen. Dem Vorwurf, dass bei «der scheinbaren Emotions- bzw. Motivationslosigkeit ein rassistischer Hintergrund eine Rolle spielt», müsse «angemessen und gründlich nachgegangen werden», forderte Dirk Stegemann von der VVN/BdA in einem Brief an die Behörden, der «nd» vorliegt.

Schon einmal war das Strandbad Plötzensee in die Schlagzeilen geraten. Veranstalter eines Musik-Festivals berichteten im Mai 2013 von rassistischen Äußerungen von Mitarbeitern des Bades, die teilweise Kleidungsstücke der in der rechten Szene beliebten Modemarke «Thor Steinar» getragen haben sollen. Auf ihrer inzwischen aus dem Netz verschwundenen Facebook-Seite veröffentlichten die Betreiber des Bades nach dem Tod des Kameruners eine Stellungnahme. Darin bemühen sie sich, die Quellen der Enthüllungen über ihren Mitarbeiter mit dem Hinweis auf die Gewaltbereitschaft «der Antifa» gegenüber Rechtsextremen zu diskreditieren. Der Mitarbeiter Z. sei 2011 nach einer Distanzierung von der rechtsextremen Szene im Rahmen eines «stillen Aussteigerprogramms» des Verfassungsschutzes angestellt worden, hieß es. Welche Voraussetzungen für eine Teilnahme im Programm erfüllt werden müssen und wie die Glaubwürdigkeit der Distanzierungserklärung überprüft wurde, bleibt indes unklar.

Polizei und Staatsanwaltschaft verknüpfen die Meldung zur Einstellung der Ermittlungen zu den Hintergründen des Todes von Aneck E. unterdessen mit einer Empfehlung: «In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass ein Aufrechterhalten der Behauptung, der Bademeister habe den 35-Jährigen ertrinken lassen, den Straftatbestand der Verleumdung erfüllen dürfte und mit einer entsprechenden Strafanzeige zu rechnen ist», teilen sie mit.

Linke Gruppen und Angehörige wollen es aber nicht einfach so dabei belassen. Am Sonnabend trafen sich Angehörige und Unterstützer zu einem öffentlichen Gedenken an E. in Wedding. Weitere Aktionen zu dem Unglück sind in Planung, heißt es.

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