nd-aktuell.de / 08.08.2014 / Politik / Seite 13

»Unerlaubte Sondernutzung«

Münchens Behörden sehen in der Altstadt organisierte Bettler am Werk - und wollen handeln

Rudolf Stumberger, München
Die Behörden in der bayerischen Landeshauptstadt München wollen gegen organisiertes Betteln vorgehen. Doch wie will man feststellen, wer organisiert bettelt und wer dies einfach so tut?

Der alte Mann, der am Portal der berühmten Asamkirche in der Sendlinger Straße in München steht, gehört schon seit Jahren zum Stadtbild: Den Blick meist nach unten gewandt, wartet er mit einem Pappbecher in der Hand auf die Almosen der Kirchenbesucher und Touristen. »Stilles Demutsbetteln« nennt sich seine unauffällige Tätigkeit im Amtsdeutsch.

Ein paar hundert Meter weiter am Sendlinger Tor-Platz wird neben einem Dönerstand auch gebettelt. Manchmal ist es eine knieende junge Frau, manchmal ein Mann, der seinen Beinstumpf zeigt. Es ist eine aggressivere Form des Bettelns - und das Münchner Kreisverwaltungsreferat sieht dabei organisierte Banden am Werk. Jetzt wird ab 12. August diese Art des Bettelns in der Münchner Altstadt verboten. Bei Zuwiderhandlungen droht Gefängnis bis zu vier Wochen.

Bei einer Pressekonferenz stellten Wilfried Blume-Beyerle, Chef des zuständigen Münchner Kreisverwaltungsreferats, und der Münchner Polizeivizepräsident Robert Kopp gemeinsam das neue Vorgehen der Behörden vor. »Wir betreten mit dieser Vorgehensweise Neuland, aber sie ist auf jeden Fall ein sinnvoller Ansatz«, so Kopp. Er verwies dabei auf die gestiegene Bettleranzahl, darunter »in erster Linie rumänische und slowakische Staatsangehörige«.

Die Anzahl der organisierten Bettler ist nach Polizeiangaben in den vergangenen Jahren stetig nach oben gegangen. Wurden vor zwei Jahren noch etwa 20 Bettler gezählt, habe sich deren Anzahl im Stadtbereich nun auf etwa 100 verfünffacht. Die Brennpunkte seien die Altstadt und die Zone rund um den Münchner Hauptbahnhof. Dort wolle man nun konsequenter vorgehen, sagte Kreisverwaltungsreferent Blume-Beyerle und betonte dabei: »Es geht nicht um einen Feldzug gegen das Betteln im Allgemeinen, sondern um bestimmte Verhaltensweisen.« Diese Verhaltensweisen haben, so die Behörde, mit dem sogenannten Gemeingebrauch zu tun, das ist die normale Nutzung des Gehweges. Betteln wird nach dieser Auffassung dann unzulässig, wenn dieser Gemeingebrauch überschritten wird. Dann sprechen die Juristen von einer »unerlaubten Sondernutzung«, was wiederum eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Bei organisiertem und bandenmäßigen Betteln handelt es demnach sich um eine derartige »Sondernutzung« des Gehweges.

Von einem bandenmäßig organisierten Betteln sprechen die Behörden, wenn die Bettler auf der Straße für Hintermänner arbeiten, die einen Großteil des erbettelten Geldes vereinnahmen. Oftmals würden diese Bettler von ihren Hintermännern aus Osteuropäischen EU-Ländern nach München eingeschleust. Das Geld für den Transport, Einreise und Unterkunft werde vorgestreckt und müsse »abgearbeitet« werden, so dass für eine gewisse Zeit ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Die Hintermänner sammelten das Geld mehrmals am Tag ein, weshalb die Polizei nur geringe Summen sicherstellen könne. So bleibe nur ein Bruchteil bei den - tatsächlich bedürftigen - Personen. Für die Polizei sei das Feststellen von organisierter Bettelei gleichwohl schwierig. Hinweise darauf seien die Zuweisung von Bettelplätzen, die regelmäßige Abgabe der Bettelerlöse und gemeinsame Unterkünfte.

Ab kommenden Dienstag also ist dieses Betteln innerhalb der Altstadt von München durch eine sogenannte Allgemeinverfügung untersagt, für die Durchführung ist die Polizei zuständig. Sie soll die Personen überprüfen und kontrollieren und die betreffende Allgemeinverfügung, übersetzt in vier Sprachen, zur Kenntnis bringen. Bei Zuwiderhandlung kann die Behörde beim Verwaltungsgericht eine »Ersatzzwangshaft« beantragen, die Haftdauer darf aber vier Wochen nicht überschreiten.