Millionenbuße - verteilt nach Richterermessen

Eine Kinderstiftung profitiert von der Geldauflage an »Bernie« Ecclestone - aber vor allem der Staat

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 3 Min.
Wo sie herkamen, die Milliarden des Herrn Ecclestone, ist unklar. Wo sie hingehen, die 100 Millionen Dollar Geldauflage, mit denen sein Verfahren wegen Verdacht der Bestechung eingestellt wurde, schon.

Gegen die Zahlung von 100 Millionen Dollar wurde das Verfahren gegen Formel-Eins-Chef Bernard Charles »Bernie« Ecclestone wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall am Dienstag eingestellt. 99 Millionen davon gehen an die bayerische Staatskasse, eine Million an die Deutsche Kinderhospizstiftung in Olpe.

Bernie Ecclestone mit einem geschätzten Vermögen von mindestens zwei Milliarden britischen Pfund findet bekanntlich das »kapitalistische System eigentlich gut«. Der heute 83-Jährige ist laut Wikipedia in Ipswich in eine Arbeiterfamilie hinein geboren und verließ die Schule mit 16. Bei Milliardären wie Ecclestone gibt es in ihren Biografien oft und üblicherweise jene intergalaktischen Sprünge, aus denen dann die Menschen als Kapitalbesitzer hervorgehen. Bei Ecclestone liest sich das so: a) Arbeiter bei den Stadtwerken; b) ab den 1970er Jahren »Investition seiner Arbeitskraft in die Professionalisierung der Formel 1«; c) 2007 Kauf eines Londoner Fußballclubs für 1,5 Millionen. Wie sich zwischen a) und c) die Milliarden angehäuft haben, bleibt ein Geheimnis des »eigentlich guten« kapitalistischen Systems.

Offengelegt ist dagegen jetzt die Verwendung der Geldauflage von 100 Millionen Dollar. Sie müssten bis spätestens nächsten Dienstag, 24 Uhr, bei der Landesjustizkasse in Bamberg auf die Kontonummer 3024919 eingegangen sein, wurden aber bereits am Freitag bezahlt, so die Angaben der Bamberger Pressestelle. Die Landesjustizkasse Bamberg ist zuständig für die Annahme der Einzahlungen und Leistung der Auszahlungen für sämtliche Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten der bayerischen Justizverwaltung. Außerdem nimmt sie Aufgaben nach dem Hinterlegungsgesetz (Annahme und Auszahlung von Geldhinterlegungen, Annahme und Auslieferung von Werthinterlegungen) wahr. Die Landesjustizkasse Bamberg mit ihren 15 Mitarbeitern ist auch zuständig für die Einziehung öffentlich-rechtlicher Gerichtskostenforderungen (etwa Kosten für Eintragungen im Grundbuch). Die Haushaltseinnahmen belaufen sich auf jährlich rund 900 Millionen Euro, die Haushaltsausgaben auf jährlich 600 Millionen Euro. Es werden pro Jahr etwa 4 200 000 Buchungen in den Kassenbüchern vorgenommen.

Für die 2006 gegründete Deutsche Kinderhospizstiftung mit Sitz in Olpe kam der Geldsegen aus München sehr unerwartet. Die eine Million Dollar (knapp 750 000 Euro), die Ecclestone binnen einer Woche im Rahmen der Absprache im Bestechungsprozess überweisen muss, ist die größte Zuwendung in der Geschichte der Stiftung. Der Münchner Richter Peter Noll hatte die Stiftung aus einer Liste mit Hunderten gemeinnützigen Organisationen ausgewählt und Ecclestone zur Auflage gemacht, dorthin eine Million Dollar zu überweisen.

Jahr für Jahr verhängt die Justiz Geldauflagen in mehreren hunderttausend Verfahren, ohne dass die Öffentlichkeit davon viel mitbekommt. Im Gegensatz zu einer »klassischen« Geldstrafe, die grundsätzlich an die Staatskasse gezahlt werden muss, ist der Spielraum bei Geldbußen und Geldauflagen groß. Wer in den Genuss der jährlich insgesamt rund 100 Millionen Euro kommt, darüber entscheiden Staatsanwälte und Richter weitgehend nach eigenem Gutdünken. In Bayern waren das für das Jahr 2013 genau 3 896 223,50 Euro. Sie gingen etwa an die Bayerische Krebsgesellschaft (147 678 Euro), den Weißen Ring zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern (196 795 Euro), die Tropenwaldstiftung Oro Verde (13 125 Euro), Greenpeace (66 950 Euro) oder Transparency International (75 Euro).

Bekannte Zuwendungsfälle: 2001 wurde das Ermittlungsverfahren gegen Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl im Zusammenhang mit der CDU-Parteispendenaffäre gegen die Zahlung von 300 000 D-Mark eingestellt. Eine Hälfte ging an die Mukoviszidose-Stiftung, die andere an die Staatskasse zur Deckung der Ermittlungskosten. Und 20 000 Euro zahlte 2011 Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg an die Krebshilfe. Die Zahlung ersparte ihm, sich vor Gericht für seine Plagiatsaffäre rechtfertigen zu müssen.

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