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Tanz wider den Krieg

Das Bundesjugendballett im Admiralspalast

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Anfang Juli firmiert das Bundesjugendballett unter den 100 Preisträgern im Wettbewerb »Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen«. Der Preis würdigt das Engagement, Ballett an so ungewöhnlichen Orten wie Gefängnissen und Seniorenresidenzen zu zeigen, auf Pausenhöfen und im leergepumpten Schwimmbecken einer Soletherme.

Ausgezeichnet ist überhaupt der Einfall, eine solche Gruppe zu gründen. Mit ihr verwirklichte sich und den vielen begeisterten Zuschauern John Neumeier 2011 einen langjährigen Traum. Acht Absolventen gibt er damit die Chance, sich für zwei Jahre unter seinem Patronat und der Leitung des einstigen Hamburger Starsolisten Kevin Haigen auf die Zukunft als Profitänzer vorzubereiten: mit eigens für sie entworfenen Choreografien aus Meisterhand und Gastspielen quer durchs Land, inzwischen sogar schon interkontinental. Young Euro Classic, das gerade in Berlin stattfindende Festival für junge Musiker aus aller Welt, tut gut daran, auch den Tanz in sein Programm aufzunehmen. Bereits zum vierten Mal war das aus Bundesmitteln geförderte Bundesjugendballett Teil des musikalischen Sommer-Reigens, diesmal im Admiralspalast.

Dass Tanz bei Neumeier nicht im luftleeren Raum schwebt, bewies er mit seiner Auswahl. Unter dem Titel »The Loss of Innocence« widmet er sich dem Ereignis des Jahres: dem Beginn von Weltkrieg I Ende Juli 1914. Drei Choreografen entwarfen vier Werke, drei direkt für die jungen Tänzer und mit ihnen. In Maša Kolars Auftaktstück scheint die Welt noch in Ordnung. Zu »Songs & Chansons«, live von Sonja Šarić gesungen, begegnen sich Jugendliche auf dem Tanzboden, toben sich dort aus und fallen am Ende erschöpft zu Boden. Was von Ohrwürmern wie »C’est magnifique«, »Let’s Do it« und »Komm, Karlineken« angefeuert wird und sich als scheinbar harmlos witziges Spiel voll origineller Erfindung aufheizt, deutet mit dem Schluss die verheerende Katastrophe des Krieges an.

Die gestaltet in »Helmbedeckt« Patrick Eberts, bis zum Vorjahr selbst Tänzer im Bundesjugendballett, mit seinen 22 Lenzen nun auf dem Weg zum Choreografen. Wir wollten nie in den Krieg gehen, heißt es im gesprochenen Text, und doch hat sich der Helm dem Soldaten über den Kopf gestülpt, haben Blut und Tod die Jugendschönheit besudelt. Eine leis eindringliche Studie, die aus dem Kontrast zur sanften Musik von Satie und Debussy, mit Christopher Park als filigranem Pianisten, zusätzliche Spannung bezieht.

Dass Musik und Tanz zusammengehören, unterstrichen ebenfalls die »Petruschka-Variationen« von Strawinsky in Neumeiers sinfonischer Umsetzung des Sujets: In teils marionettenhaftem Gestus feiern sechs Tänzer um den mittig platzierten Pianisten das Miteinander der Künste. Den stärksten Eindruck hinterließ als Finale Neueimers »In the Blue Garden« zu Ravels »Ma Mère l’Oye« als ambivalent nachdrückliche Vision um Leid, Tod, Kriegsverletzung, auch Sehnsucht nach Frieden in Gestalt einer weißen Rose. Wie ebenbürtig nochmals das um Yohan Stegli erweiterte Oktett aus formidablen Solisten und die sensibel begleitenden Musiker zusammenwirkten, beschloss einen höchst anregenden Abend.

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