Meister gegen Mogul

Skateboardfahren soll olympisch werden, vielleicht schon 2020. Nun streiten sich zwei Verbände um die Ausrichterschaft

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 5 Min.
Während der zweiten Ausgabe der Olympischen Jugendspiele werden in Nanjing neue Sommersportarten erprobt. Die bedeutendste ist Skateboarding - vielleicht auch die am schwersten zu integrierende.

Etwas im Windschatten anderer Ereignisse finden derzeit die »Young Olympic Games« (YOG) in Nanjing statt. 3500 Sportler zwischen 15 und 18 Jahren, davon gut 80 aus Deutschland, proben dort bis Ende kommender Woche den olympischen Geist. Vieles an den YOG kennt man schon - zum Beispiel, dass im Tischtennis stets China gewinnt. Doch sollen die YOG nicht nur junge Menschen an Olympia heranführen, sondern auch Olympia an die Jugend von heute. Deshalb gehört das »Sports Lab« zum Konzept, ein Erprobungsformat für neue Sportarten.

Dabei dürfen sich in Nanjing vier Kandidaten vorstellen: Hallensportklettern, der Kampfsport Wushu, der Schnelllauf auf Inlineskates und auch Skateboarding, das davon wohl die bedeutendste Sportart ist. Als paradigmatischer »Trendsport« macht das Skateboardfahren den Kern der »X-Games« aus, jener »Olympiade des Trendsports«, die in Nordamerika, aber auch etwa Brasilien gerade in jungen Zielgruppen eine ernsthafte Konkurrenz zu Olympia darstellt. Und fällig ist Skateboarding ohnehin, seit die Winterspiele mit »Halfpipes« und »Slopestyle«-Elementen Skateboardarchitekturen für andere Sportarten ausleihen. Auch für Christian Klaue vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist das Skateboard eine Möglichkeit, Zielgruppen zu erreichen, »die sich für das klassische Programm nicht so interessieren«.

Dass daraus bisher nichts wurde, liegt an der Sportart selbst. Lange gab es schlicht niemanden, der ein Olympiaturnier hätte ausrichten können. Nun aber beanspruchen gleich zwei Strukturen diese Rolle. Auf der einen Seite ist da die »Fédération Internationale de Roller Sports« (FIRS), der 1924 gegründete Weltdachverband für Rollhockey, Rollkunstlauf, Rollschnelllauf und Ähnliches; in Nanjing präsentiert die FIRS Inlinerennen. Erst im Februar hat der Verband aber auch den Anspruch auf Skateboarding erneuert und den Deutschen Titus Dittmann als »Vorsitzenden des Internationalen Komitees Skateboarding« ausgerufen.

Als Gründer einer großen Skateboard-Handelskette ist Dittmann Europas unangefochtener Skateboardmogul - und weltweit ein bekanntes Gesicht in der Sportart. Im April erklärte er, als »erster internationaler Funktionär für die Sportart Skateboarding« für »alle Belange (…) auf internationaler Ebene einschließlich Olympia und WM im Auftrag des IOC« zuständig zu sein.

Dennoch präsentiert nun nicht die FIRS das Skateboard-Schaulaufen in Nanjing. Obwohl die Dachorganisation schon lange zum organisierten Sportsystem zählt und zumindest die deutsche Sektion DRIV (Deutscher Rollsport- und Inlineverband) nicht nur langjähriges Mitglied des DOSB ist, sondern auch seit Jahrzehnten als Wettkampfveranstalter im Skateboarding aktiv, entschloss sich IOC-Präsident Thomas Bach im vergangenen Jahr, die Präsentation in Nanjing nicht in die Hände der FIRS zu legen, sondern die »International Skateboarding Federation« (ISF) zu beauftragen. Diese 2004 in den USA etablierte Struktur kann zwar kaum als Sportverband im herkömmlichen Sinn gelten - so sind etwa die über 80 Länder- und Aktivenvertreter der ISF nicht gewählt, sondern einfach ernannt. Auf der anderen Seite verfügt die Organisation über erheblichen Rückhalt in der Sportart.

Erst kürzlich konnte Präsident Gary Ream verkünden, dass sich der gleichfalls hauptsächlich in den USA verankerte Herstellerverband IASC (International Association of Skateboard Companies) hinter seine Olympia-Ambitionen stellt. Für Nanjing hat sich die ISF mächtig ins Zeug gelegt und für die zweimal täglich stattfindenden Vorführungen hochkarätige Akteure einfliegen lassen - wenn auch keiner derselben ins Altersspektrum der YOG hineinpasst; der älteste Akteur ist schon fast 40. Darüber hinaus will Ream in Zusammenarbeit mit der »Street League Skateboarding« - einer 2010 gegründeten, von der Firma Nike und dem TV-Sender Fox Sports finanzierten Wettkampfserie - eine »Weltmeisterschaft« ins Leben rufen; ein regulärer Wettkampfbetrieb gehört nämlich zu den Kriterien des IOC bei der Partner- und Sportartenwahl.

Daher hat auch die Gegenseite eine WM angekündigt. Im April erklärte Dittmann, »noch in diesem Jahr« eine solche vergeben zu wollen. Nun räumt er gegenüber »nd« ein, dass daraus zunächst nichts wird: Die Vorlaufzeit sei zu kurz gewesen, Gespräche mit einem »potenziellen Ausrichter« hätten noch nicht »den gewünschten Erfolg« gehabt.

Dennoch will Dittmann nicht aufgeben. Von einer Verbandskonkurrenz, sagt er, könne nicht die Rede sein, da die FIRS »aktuell die vom IOC eingesetzte, offizielle Institution ist, die Skateboarding weltweit repräsentiert«. Im Herbst werde es Gespräche zwischen IOC und ihm selbst geben, die »die Situation ein für alle Mal klären« sollen.

Wie diese Gespräche ausgehen werden, wagt auch Jürgen Horrwarth nicht vorauszusagen, ein wahrer Champion seines Sports. Der mehrfache Europameister aus Berlin, der sich aus dem Wettkampfgeschehen allmählich zurückzieht, sagt gegenüber »nd«, er wünsche nur das Beste für das Skateboarding. Da aus seiner Sicht aber die ISF die »glaubwürdigere Alternative« ist, hat er sich zum Deutschlandvertreter des Verbandes ernennen lassen. Am Ende, glaubt er, werde sich die ISF auch durchsetzen. Dennoch will er keinen Streit wegen der Olympia-Frage. In den nächsten Monaten will im Gegenteil er dafür arbeiten, dass die Szene in Deutschland »an einem Strang zieht«. Im weiteren Verlauf des Gespräches fallen dann gar Worte wie »Bundestrainer«, worüber Horrwarth selbst gleich ein bisschen lacht.

Denn Übungsleiter für Skateboarding? Nationalmannschaften? Vielleicht gar Skateboard-Sportsoldaten? Viel vom dem, was mit Olympia verbunden sein könnte, kann man sich heute tatsächlich kaum vorstellen in einer Sportart, die noch immer mit dem Begriff »Sport« hadert. Dennoch scheint der Olympiazug kaum noch aufzuhalten. Zumindest in der Szene geht man inzwischen von einer Premiere 2020 in Tokio aus.

Bis dahin bleiben nur noch kleinere Probleme - wie die Skater selbst. Im Internet ist etwa zu sehen, womit sie in Nanjing bisher die Zuschauer am meisten begeisterten: nämlich mit Sprüngen über die Absperrungen des ausgewiesenen Skateplatzes.

Im Ernstfall hätte man sie wohl allesamt disqualifizieren müssen.

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