nd-aktuell.de / 22.08.2014 / Politik / Seite 2

Wahlen und Gebete für Ruhe in Abchasien

Moskau diktierte den Präsidentschaftskandidaten ein Abkommen über sozialen Frieden

Irina Wolkowa, Moskau
Abchasien war georgisch und das Mutterland will die abtrünnige Republik gern zurück. Moskau ist mit Einfluss und Soldaten im Spiel. Dazwischen muss jeder Präsident lavieren - Sonntag wird er gewählt.

Abchasien steht wieder einmal vor vorgezogenen Neuwahlen eines Präsidenten. Es ist bereits das sechste Mal nach der Abspaltung der Schwarzmeerregion von Georgien 1992, dass der Posten des Staatschefs zur Disposition steht. Selten stand bisher einer der Amtsinhaber eine volle Legislaturperiode durch.

Noch seltener fanden sich die Unterlegenen mit ihrer Niederlage ab. Das wurde auch dem 2011 auf fünf Jahre gewählten Alexander Ankwab zum Verhängnis. Bei Massenprotesten Ende Mai in der Hauptstadt Suchumi forderten Zehntausende seinen Rücktritt. Daraufhin empfahl ihm mit satter Mehrheit auch das Parlament, sein Amt niederzulegen. Anschließend brachten die Volksvertreter Premier Leonid Lakardia mit einem Misstrauensvotum zu Fall. Die Opposition, die zeitweilig Regierungsgebäude besetzt hatte, warf Ankwab einen zunehmend autoritären Regierungsstil, ausufernde Korruption, Kriminalität und Massenarmut vor und forderte noch mehr Kompetenzen für die Legislative, die in Abchasien ohnehin erheblich mehr zu sagen hat als etwa in Russland.

Die Situation war so ernst, dass sogar Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Berater Wladislaw Surkow zum Krisenmanagement in die Region entsandte. Der diktierte potenziellen Kandidaten ein Abkommen über sozialen Frieden, das die vier zugelassenen Bewerber Ende Juli auch unterzeichneten.

Anschließend stand ein gemeinsames Gebet mit Patriarch Wissarion in der Kathedrale von Suchumi auf dem Programm. Dieser ermahnte zu Verantwortungsbewusstsein und gegenseitigem Respekt: Abchasien müsse endlich zu Ruhe und Stabilität finden.

Die malerische Region - zu Sowjetzeiten bei Urlaubern beliebter als die Krim - hatte sich nach dem Ende der Sowjetunion von Georgien, mit dem Abchasien durch Stalin zwangsvereinigt wurde, wieder getrennt. Beide lieferten sich einen fast zwei Jahre währenden mörderischen Krieg. 40 000 ethnische Georgier wurden dabei vertrieben, blühende Städte wie Suchumi dem Erdboden gleich gemacht.

Moskau unterstützte die Separatisten und erkannte Abchasien nach dem Fünf-Tage-Krieg mit Georgien um dessen abtrünnige Provinz Südossetien im August 2008 auch diplomatisch an. De facto ist die Region seither jedoch russisches Prorektorat. Hier hat Moskau inzwischen Soldaten stationiert. Pläne, den Kriegshafen Suchumi zum Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auszubauen, ließ der Kreml jedoch schnell wieder fallen.

Denn mit drei Ausnahmen - Venezuela, Nicaragua und das Südsee-Atoll Vanuatu - unterstützt die internationale Gemeinschaft, darunter auch Moskaus Partner im Verteidigungsbündnis der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS - Georgien. Das betrachtet Südossetien wie Abchasien nach wie vor als Teil seines Staatsgebietes. Progeorgische Exilregierungen beider Regionen arbeiten in Tiflis und drängen vor allem auf eine Rückkehr der Vertriebenen.

Hinzu kommt, dass Abchasien wirtschaftlich weniger abhängig von Russland ist, einen eigenen Zugang zum Schwarzen Meer und beste Kontakte zu der wohlhabenden Diaspora in der Türkei hat. Diese zählt mehrere Hunderttausend Mitglieder.

Derzeit allerdings steht Eigenstaatlichkeit nicht auf der Tagesordnung. Auch nicht für die Präsidentschaftskandidaten: Merab Kischmarija, Leonid Dzjaschiba, Aslan Bschanija, und Raul Chadschimba. Auch unterscheiden sich ihre Programme nur in Nuancen. Begriffe wie Regierung und Opposition sind in Abchasien ohnehin nicht mehr als ein Rauchvorhang für das Machtgerangel der Clans. Ihr Uralt-Konflikt trägt ein gerüttelt Maß Schuld daran, dass die Region nicht auf die Füße kommt.