Leid und Lust auf dem Steg

»Leben ist Traum« auf dem Hof des Kunsthauses Acud

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Inwieweit kann ein Mensch mit der Realität fertig werden, der von ihr zunächst weggesperrt war? In »Leben ist Traum« schafft er es, der Königssohn, der im Kerker aufwächst, weil jemand gesagt hatte, er sei unter schlechtem Vorzeichen auf die Welt gekommen.

Der spanische Poet Pedro Calderón de la Barca schuf im Jahre 1634 sein Versdrama »La vida es sueño« und stellte mit ihm Fragen nach Schicksalsergebenheit und Selbstbestimmung. Man spricht von einem philosophischen Schauspiel höchster Vollendung. Einräumen muss man, dass er - aus adligem Hause kommend - dem königlich Geborenen auch Edelmut im Blute zubilligt. Dass der Spanier die Handlung in Polen ansiedelte, war damals dennoch eine weise Entscheidung.

Felix Goldmann inszenierte das Stück für das Open-Air-Sommertheater im Hof des Kunsthauses Acud in Mitte. Gespielt wird auf einem Steg in der einfallsreichen Ausstattung von Jens Uwe Behrend, musikalisch dezent und unsichtbar begleitet von Grit Lindau und Anders Kamp.

Der polnische König Basilius (Rike Eckermann) ist in die Jahre gekommen und muss an seine Nachfolge denken. Deshalb lässt er seinen Sohn Sigismund (Heiko Schendel) aus dem Kerker holen, um dessen Verhalten und dessen Umgang mit Macht zu testen. Das geht selbstverständlich schief. Spornstreichs schmeißt Sigismund einen ihm lästigen Mann vom Balkon. Das ist mit kurzer, gut gemachter Videoeinspielung die einzige grausame und merkwürdigerweise komische Szene. Aber was weiß man schon vom philosophischen Humor, den man dem Werk zuspricht, das der sogenannten »spanischen Comedia des goldenen Jahrhunderts« angehört? Man lebe in einer so seltsamen Welt, heißt es darin, dass das Leben nur noch Träumen ist. Glücklicherweise versucht Goldmann nicht, das Stück fürs Publikum durch Lustiges leichter genießbar zu machen. Ein kurzer Prolog indes wäre gut gewesen.

Nicht entmutigt, wagt König Basilius einen zweiten Versuch mit Sigismund. Und siehe da: Nun entspricht sein Sohn den Erwartungen, ein guter Herrscher Polens zu werden. Er hat dann doch recht schnell begriffen, wie man sich anzupassen hat. In den sich um die Haupthandlung schlängelnden Geschichten spielen wilde Verwicklungen ihre Rolle. Die Russin Rosaura (Susanne Heubaum), die sich der Liebe des Königsneffen Astolf (Anders Kamp) sicher wähnte, von ihm jedoch verlassen wurde, kommt mit ihrem Gefährten Clarin als Mann verkleidet an den polnischen Hof. Clarin (Barbara Smilowska) besitzt Narrenzüge und ist entsprechend geschmeidig-verschlagen ins Spiel gebracht.

Männer werden zu Frauen. Ehen werden den einen versprochen und mit anderen geschlossen. Königsberater Clotald (Samuel Zekarias) erkennt seinen Sohn, findet aber seine Tochter. Und Königscousine Estrella (Sabine Roßberg), die zunächst im Komplott mit Astolf agierte, wird Sigismunds Gemahlin. Señor Calderón de la Barca brachte sein Stück zu einem harmonischen Schluss. Die Welt: wieder in Ordnung. Leid und Lust werden in Goldmanns Inszenierung sehr gut gespielt und gesprochen. So ist das 90-Minuten-Stück sehenswert.

Bis 31.8., 20.30 Uhr, Acud Theater, Veteranenstr. 21, Mitte, Tel.: (030) 44 35 94 97, www.acud.de

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