nd-aktuell.de / 29.08.2014 / Kultur / Seite 4

Frost und Feuer

Bibiana Beglau wurde als Schauspielerin des Jahres ausgezeichnet

Hans-Dieter Schütt

Sie ist wild und weich, sie keilt und kauert, ist Mannweib und Weibsmann, auf Bühnen, die sich bei ihrem Erscheinen in Feuer- und Frostlandschaften verwandeln. Bibiana Beglau ist eine der wunderbarsten Darstellerinnen Deutschlands. Bei Frank Castorf, am Residenztheater München, spielt sie die Hauptrolle in »Reise ans Ende der Nacht« von Celine, wurde dafür als »Schauspielerin des Jahres« gekürt. Die Beglau ist im Stück des frenetischen Antisemiten Celine, der aber auch ein grandioser Weltenschlammerzähler war, von einer metallenen Kühle, die heiße Strahlen sendet. Grobheit als Grazie. Alles an ihr, die einen Kerl spielt, ist von lasziver, lauernder, lederner Kraft. Eine Brodelbodenturnerin. Gedopt, geil, giftend, grell, ganz, ganz traurig. So hat sie bei Dimiter Gotscheff brilliert (Müllers »Zement« in München, Handkes »Immer noch Sturm« in Hamburg), bei Marthaler und Schlingensief in Zürich, bei Falk Richter an der Schaubühne.

Beglau, 1971 geboren, ist die Tochter eines einstigen Grenzers, der den deutsch-deutschen Todesstreifen abzulaufen hatte. Die DDR war gleichsam dauerpräsent (»Ich war gestresst von der ständigen Leier, dass da ein ganzer Staat zur Unfreiheit verurteilt war - totaler Schwachsinn«). Wenn sie übers Leben redet, finden Currybude und Philosophie zusammen; ihre Antwort, als man sie mal nach den existenztreffendsten Worten fragte, die sie je auf der Bühne sprach: »Die Luft ist süß und stinkt nach Pisse.« Einar Schleef. Kunst hat für sie stark zu sein, im besten Sinne gewalttätig, also: umwerfend, aufplatzend. »Ich muss mich nicht entspannen. Ich muss mich aufregen. Wozu sind wir auf der Welt?«

Jüngst erlebte ihr grandioser Mephisto Premiere, in Martin Kusejs »Faust«, ebenfalls in München. Zarte Zählebigkeit, die lungert, latscht, leckt, lacht, lechzt. Des Teufels Weibsrücken trägt zwei schwärende Streifen. Dort saßen die Flügel des gefallenen Engels. Der Teufel ein Renegat der himmlischen Idee - wer Wunden offen hält, glaubt auch Träumen nur noch, wenn sie bluten. Das ist Schönheit.