nd-aktuell.de / 30.08.2014 / Kultur / Seite 29

Artistik mit geflochtenem Ball

Ex-Kickboxer Ben Lemme wechselte zum Teamsport Sepak Takraw: viel Spaß, sehr spektakulär

Der Name klingt etwas holprig in unseren Ohren: Sepak Takraw, eine Wortkombination aus dem Malaiischen und Thai, übersetzt etwa »treten« plus »geflochtener Ball«. Um so rasanter ist das Spiel, und zu Wettkämpfen in Südostasien, von Vietnam bis Malaysia, strömen die Fans in Massen. Der Kreis der Sepak-Takraw-Aktiven in Deutschland ist noch überschaubar. Organisiert sind bundesweit rund 100. Ben Lemme, der zum Kader der Nationalmannschaft gehört, möchte das ändern. Vom 36-jährigen Psychologen aus Berlin hat sich nd-Autor René Gralla den großen Spaß am kleinen Ball erklären lassen.

nd: Ziemlich mickrig ist das Ding, mit dem Sie spielen. Ist der Ball nicht viel zu klein, um ihn mit dem Fuß zu kicken?
Lemme. Nein, das ist eine reine Gewohnheitssache.

Trotzdem müssen Sie den Ball bei einem Match erst mal erwischen. Wird nicht oft danebengehauen?
Am Anfang schon, klar. Aber bei Golfern ist das auch nicht anders, Neueinsteiger setzen da die ersten Abschläge auch in den Sand.

Und wie schaffe ich das, den Miniball immer präzise zu treffen?
Sie müssen eben die Grundelemente drauf haben, und das bedeutet üben und üben. Eine gute Methode: den Ball in die Hand nehmen und anschließend möglichst mit der Innenseite des Fußes treten, so dass er nach oben fliegt. Und wenn du ihn danach wieder annehmen und stoppen kannst, bist du schon gut. Das Training für Fortgeschrittene: den Ball gegen eine Wand schießen, der prallt ab, wieder annehmen und zurückgeben.

Wie hat das bei Ihnen begonnen, die Leidenschaft für Sepak Takraw?
Mit zwei befreundeten Frauen aus Berlin, die in der Szene bereits aktiv waren, bin ich als Unterstützer zu einem Turnier nach Mailand gefahren. Das fand ich spannend, und ich habe gleich selber mal versucht, ein paar Bälle zu treten. Ursprünglich komme ich vom Kickboxen, deswegen waren mir typische Bewegungen im Sepak Takraw, die dem Kampfsport ähneln - zum Beispiel das Hochreißen der Beine - , nicht fremd. Ich habe gemerkt, das macht Spaß und sieht obendrein spektakulär aus.

Sepak Takraw als die quasi humanere Variante des Kampfsports, weil Sie nur dem schmerzfreien Ball einen verpassen und keinem menschlichen Gegner?
Kann man vielleicht sagen. Hier wende ich durchaus Fähigkeiten an, die ich bei den Martial Arts erworben habe, nun eben am Ball.

In den Dreier-Teams, die sich bei Wettkämpfen messen, übernimmt jeder eine fest umrissene Aufgabe: Der Kapitän steht hinten, während der Feeder dem Angreifer, Striker oder Killer genannt, die Bälle serviert. Welches ist Ihre Lieblingsrolle?
Bisher war das der Killer, also der die Punkte macht. Aber auf Grund meines Alters könnte das demnächst wohl der Kapitän sein.

Darf die Rollenverteilung während einer Partie verändert werden?
Verboten ist das nicht. Auch der Tekong, wie der Kapitän in der thailändischen Sprache heißt, muss kurzfristig zum Striker werden können. Ansonsten sieht ein Angriff nach dem Bilderbuch so aus: Aufschlag vom Kapitän, der Feeder rennt hin, hat den zweiten Kontakt mit dem Ball, gibt den ab zum Striker, der attackiert. Entsprechend wichtig ist die perfekte Kommunikation unter den Spielern.

Welche besonderen Fähigkeiten muss ich mitbringen, um im Sepak Takraw bestehen zu können?
Stets wach bleiben und schnell sein. Ein Ball kann verspringen, und trotzdem musst du loslaufen und versuchen, das Ding noch zu kriegen.

Die taktischen Situationen wechseln ständig, simples Rüberdonnern der Bälle reicht da wohl nicht.
Das ist klar. Wir müssen lernen, das Spiel zu lesen. Wenn ich merke, dass einer unserer Gegner die typische Sprunghaltung einnimmt, um einen Schmetterball abzublocken, weil er den offenbar erwartet - während seine beiden Mitspieler entsprechend den hinteren Raum absichern wollen - , dann tupfe ich den Ball leicht an, so dass der auf der anderen Seite gleich hinterm Netz runter fällt. Und die anderen kommen nicht mehr ran.

Sie machen auf hartem Hallenboden Sprünge, die artistisch sind. Offenbar sind Sie hart im Nehmen?
Das wirkt manchmal heftig, in der Regel landen wir aber wieder auf den Füßen. Vielleicht hilfsweise mit einer Korrekturbewegung, noch kurz in die Knie gehen, und weiter geht’s. Skateboarden ist viel verletzungsanfälliger als Sepak Takraw.

Erst kürzlich sind Sie mit der Nationalmannschaft zur WM nach Bangkok geflogen. Wie hat die Republik dort abgeschnitten?
Deutschland mischt oben mit, ist unter den nichtasiatischen Nationen eine der erfolgreichsten Mannschaften. Und in einem Sonderwettbewerb für reine Amateurteams haben wir sogar eine Goldmedaille gewonnen.

Hierzulande ist Sepak Takraw bisher ein Nischensport. Um das Spiel bundesweit zu etablieren, müssen Sie wohl echte Pionierarbeit leisten.
Ja, das macht viel Arbeit. Und ich muss zugeben, dass ich es natürlich schön finden würde, wenn unser Sport populärer und verbreiteter wäre: Wo ich also in irgendeinen Verein eintrete und einen Spielbetrieb vorfinde, der perfekt organisiert ist. Wir dagegen müssen mit Eigeninitiative und ohne öffentliche Unterstützung alles selber stemmen.

Warum tun Sie sich das an?
Weil das einfach mein Sport ist. Und weil wir eine große Familie sind, europaweit. Und für meine Familie tue ich alles.

Sepak Takraw in Deutschland: takrawgermany.wordpress.com[1]
Takraw in Berlin: www.sepaktakraw-berlin.de[2]

Links:

  1. http://takrawgermany.wordpress.com
  2. http://www.sepaktakraw-berlin.de