nd-aktuell.de / 05.09.2014 / Politik / Seite 6

Behörde mit Eigenleben

Das Landesverwaltungsamt in Thüringen ist mächtig und kaum kontrolliert

Hans-Gerd Öfinger
Wie bekäme eine mögliche linke Regierung in Thüringen den bestehenden konservativen und demokratisch kaum kontrollierbaren Beamtenapparat in den Griff?

Das im Gauforum Weimar, einem während der NS-Diktatur errichteten Gebäudekomplex, angesiedelte Thüringer Landesverwaltungsamt (LVA) wurde 1990 als zentrale Mittelbehörde des Freistaats eingerichtet und fungiert als Verbindungsglied zwischen den unteren Behörden in den Kommunen (Landkreisen, kreisfreien Städten) und der Thüringer Landesregierung als oberste Behörde. Formal ist das LVA dem Erfurter Innenministerium untergeordnet, seine Aufgaben als Vollzugs-, Aufsichts- und Widerspruchsbehörde erstrecken sich allerdings über alle Fachbereiche der Ministerien. Kritiker halten die Mammutbehörde für überflüssig und sprechen vom »Landesverkündungsamt« oder vom »Landesversorgungsamt«, weil sich unter seinen rund 1100 Bediensteten auch etliche abgewählte Wahlbeamte, Landräte, Bürgermeister und andere »Versorgungsfälle« aus CDU, FDP, SPD und Grünen sowie als »Aufbauhelfer« seit 1990 nach Thüringen entsandte West-Beamte finden.

Das Vorgehen der für die Kommunalaufsicht zuständigen LVA-Bediensteten stößt bei Akteuren in den Kommunen immer wieder auf Kritik. So steht etwa die hoch verschuldete und kreisfreie Stadt Eisenach unter der Fuchtel des LVA, weil die Verwaltung mangels ausreichender Einnahmen für 2014 keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann. Ein Schicksal, das Eisenach mit vielen Kommunen teilt. Im Prinzip sind sich alle beteiligten Akteure einig, dass eine Modernisierung des Busbahnhofs der Wartburgstadt bis zum Reformationsjubiläum 2017 dringend nötig ist. Staatliche Fördermittel sind bewilligt, können aber ohne Eigenanteil der Stadt nicht in Anspruch genommen werden. Genau dies scheiterte bislang jedoch an der Blockade durch das LVA, das der Stadtverwaltung strikt die Tätigung dieser »freiwilligen Ausgabe« untersagt. Auch gegen die Anschaffung einer Drehleiter für die lokale Berufsfeuerwehr legten LVA-Bedienstete ihr Veto ein, obwohl Brandschutzexperten im Innenministerium den Kauf für dringend geboten hielten. Beim Neubau von Sporthallen stellt sich das LVA quer, obwohl nach Ansicht kommunaler Akteure eine Sanierung bestehender Gebäude letztlich teurer käme als ein Neubau. »Die schlagen ihre Loseblattsammlung auf und was nicht drin steht, findet nicht statt«, bemängelt ein Verwaltungsinsider gegenüber »nd«. »Die sagen nur, was nicht geht, legen einen konservativen Geist an den Tag und zeigen keinerlei politisches Gespür oder Kreativität.«

Im aktuellen Tauziehen um die Insolvenz der Stadtwerke im finanziell schwer angeschlagenen Gera hat das LVA der Stadt vor kurzem eine weitere Kreditaufnahme untersagt und strebt über die Köpfe gewählter Kommunalpolitiker hinweg eine Privatisierung kommunaler Wohnbaubestände an. Zum LVA-Instrumentarium gehören auch Zwangsvollstreckungen gegen klamme Kommunen, mit denen deren Schulden bei den Landkreisen oder anderen Körperschaften eingetrieben werden können. Im Unstrut-Hainich-Kreis setzte die Behörde den aus Baden-Württenberg stammenden Kommunal- und Unternehmensberater Klaus Brodbeck (FDP) als Zwangsverwalter ein. Dem Vernehmen nach hat der hoch verschuldete Landkreis das Monatshonorar für den badischen Ex-Landrat und Ex-OB in Höhe von gut 11 000 Euro zu entrichten (siehe Kasten).

Zu den Eigenheiten des LVA gehört, dass es nach Einschätzung von Beobachtern ein Eigenleben führt und seit geraumer Zeit keiner politischen Kontrolle unterworfen ist. Seit dem altersbedingten Ausscheiden des früheren Präsidenten Peter Stephan (CDU) ist der Posten vakant, weil sich die Koalitionspartner CDU und SPD bislang nicht auf einen Nachfolger einigen konnten. Das Amt sei ein »demokratiefreier Raum« und eine »bürgerferne und unkontrollierbare Monsterbehörde, die dringend abgeschafft gehört«, meint Frank Kuschel, kommunalpolitischer Sprecher der Thüringer Linksfraktion. Seine Partei strebt eine Auflösung des LVA und anderer Landesmittelbehörden an, da diese »zu weit weg von der Lebenswirklichkeit und intransparent« seien und kaum einer demokratischen Kontrolle und Steuerung unterlägen, so das Wahlprogramm. Eine Übertragung der Aufgaben bisheriger Landesmittelbehörden auf die kommunale Ebene habe sich in anderen Bundesländern bewährt und fördere eine »leistungsfähige, transparente, bürgerorientierten und demokratisch legitimierte öffentlichen Verwaltung«.