Wohnen wie die Maharadschas

Viele der ehemaligen Herrscherpaläste Rajasthans sind heute Hotels

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 7 Min.
Dieses Zimmer im Deogarh Mahal sah Fürsten kommen und gehen
Dieses Zimmer im Deogarh Mahal sah Fürsten kommen und gehen

Mit »Pauken und Trompeten« zog der Fürstenzug durch den Ort, an dessen Spitze der prächtig herausgeputzte Maharadscha auf einem mit feinsten handgewebten Stoffen, Gold und Unmengen von Edelsteinen geschmückten Elefanten thronte. In seinem Geleit viele weitere Reichtum demonstrierende Elefanten, sein Hofstaat, die Leibgarde und natürlich die schönen verschleierten Haremsdamen in ihren farbenfrohen Seidensaris. So zeigten sich die lokalen Fürsten Indiens gern ihren Untertanen, denen sie all ihren Reichtum verdankten.

Was für uns wie Geschichten aus 1001 Nacht klingt, war in Indien jahrhundertelang ein ganz normales Bild: Die farbenfrohen, prachtvollen Festumzüge ebenso wie die riesigen reich verzierten Paläste mit ihren verwunschenen Gärten, verwinkelten Gängen, lauschigen, versteckten Innenhöfen, Türmen, Kuppeln und Erkern. Je reicher der Maharadscha, desto gewaltiger und prächtiger war sein Palast. 560 größere und kleinere Fürstenstaaten gab es in der Zeit ab 1858, als das Land britische Kronkolonie war. Um sich die lokalen Fürsten und damit deren Untertanen gefügig zu machen, erkauften sich die Engländer die Loyalität der Maharadschas mit vielerlei Rechten und Privilegien.

Zwar mussten diese mit der Unabhängigkeit Indiens 1947 auf ihren Thron verzichten, wurden dafür aber mit großzügigen jährlichen staatlichen Apanagen abgefunden, deren Höhe sich nach der Größe des jeweiligen Landbesitzes richtete. Rund ein Drittel des gesamten indischen Budgets floss so ohne irgendeine Gegenleistung in die Taschen der Maharadschas. Erst Indira Gandhi setzte 1971 diesem Treiben ein Ende, strich nicht nur ersatzlos die Zahlungen, sondern schaffte auch viele andere Privilegien ab, wie den Prinzentitel, die Befreiung vom Zoll, Steuerfreiheit oder die Ehrengarden. Was den einstigen lokalen Herrschern blieb, waren ihre Paläste und in vielen Fällen ein über die Jahrhunderte angehäufter Reichtum, den sie schon Jahre zuvor, als sie noch Zollfreiheit genossen, auf Schweizer Nummernkonten in Sicherheit gebracht hatten.

Wer indes zu den weniger begüterten ehemaligen Landesfürsten zählte, bekam nun ein echtes Problem. Denn der Unterhalt der riesigen Paläste kostet ein Vermögen. Für viele stellte sich schon bald die Frage: Was tun mit den Immobilien, wie sie erhalten? Nicht wenige machten »den Laden« einfach dicht und überließen die Märchenschlösser ihrem Schicksal. Allein im Bundesstaat Rajasthan, nur wenig kleiner als Deutschland, gab es 22 Fürstenstaaten. Hier im »Land der Könige«, wie Rajasthan übersetzt heißt, entschlossen sich viele aus der Not heraus, ihren Palast ganz oder teilweise in Hotels umzuwandeln, um das Geld für die Erhaltung zu verdienen.

Wie die ehemalige Residenz des Thakur von Alsisar, heute das »Alsisar Mahal«. Erbaut im 18. Jahrhundert wirkt der Palast am Rande eines Dörfchens, gut 250 Kilometer von Delhi entfernt, wie ein Fremdkörper. Früher blühte in dieser Region der Handel, wovon noch heute viele Havelis, innen prächtig bemalte Häuser der Kaufleute, Zeugnis ablegen. Wenn man den 2005 zum Hotel umgebauten Palast betritt, fühlt man sich augenblicklich in ein indisches Märchen gebeamt und würde sich nicht wundern, böge Scheherazade um die Ecke. Statt der Prinzessin tritt ein ebenfalls wie aus 1001 Nacht entsprungen wirkender Lakai auf die Gäste zu, reicht, sich tief verbeugend, feuchte Tücher und Getränke als Willkommensgruß und gewaltige eiserne Zimmerschlüssel. Niemand wird allein auf den Weg in sein Zimmer geschickt, wahrscheinlich würde man es ansonsten niemals finden. Der labyrinthartige Weg dorthin führt schmale steile steinerne Treppen hinauf und wieder hinab, unendlich lange Gänge entlang, quert zig romantische, von Außen nicht einsehbare Innenhöfe, wo sich einst die Haremsdamen aufhielten, bis man endlich vor einer Tür steht, zu der der Schlüssel passt. Dahinter öffnet sich eine neue Seite aus dem Märchenbuch: ein riesiger Raum mit reich verzierten Säulen, antiken Möbeln, vielfarbigen bogenförmigen Glasfenstern, durch die die Sonnenreflexion einen bunten glitzernden »Teppich« auf den glänzenden Marmorboden legt. Mittendrin ein Himmelbett mit seidenem Baldachin und zig kleinen und großen Kissen. Da drin liegend kann man sich wunderbar seiner Fantasie hingeben und sich vorstellen, wie es hier einst zuging, als diesen Raum noch eine der schönen Haremsdamen bewohnte.

Gegen den Lallgarh Palast - heute Luxushotel »Laxmi Niwas Palace« - allerdings wirkt das Anwesen in Alsisar regelrecht bescheiden. Den ließ sich Maharadscha Ganga Singh zwischen 1892 und 1902 in Bikaner, einer 650 000 Einwohner zählenden Stadt am Rande der lebensfeindlichen Thar Wüste, inmitten eines weitläufigen Parks bauen. Heute steht der Gast staunend vor dem in Stein gemeißelten Reichtum und weiß nicht, wohin er zuerst schauen soll: Die Fassade aus rotem Sandstein besteht komplett aus kunstvollen filigranen Steinmetzarbeiten, Dutzende pavillonartige Kuppelbauten zieren den Palast, der bis heute teilweise von der Besitzerfamilie bewohnt wird. Die 40 Gästezimmer, in denen selbst die Bäder nostalgisch sind und von denen keines dem anderen gleicht, sind mit kostbaren Antiquitäten ausgestattet. Alles ist echt - die üppig geschnitzten Säulen, die schweren, reich verzierten Holztüren, die wertvollen Gemälde und die kristallenen Lüster. Getafelt wird stilvoll im schattigen Arkadenhof mit kühlenden Wasserspielen, bei Musik und traditionellen indischen Tänzen.

130 Kilometer von Udaipur entfernt liegt das Dörfchen Deogarh. Sahib Nahar Singh, der 15. und letzte Maharadscha der Region, erbte den dortigen Palast von seinen 14 Vorgängern, die 1670 mit dem Bau begannen und ihn Generation für Generation erweiterten. Als Sahib Nahar Singh 1958 nach seiner Hochzeit hier Hausherr wurde, war es mit vielen Privilegien schon vorbei. Da er nicht zu den superreichen Landesfürsten gehörte und nur geringe Apanagen erhielt, mit denen er auf Dauer das riesige Anwesen nicht erhalten konnte, entschied sich die Familie 1966, den Palast zu verriegeln und in ein kleineres Haus am Ortsrand umzuziehen. Doch das schlechte Gewissen, das Erbe einfach dem Verfall preiszugeben, nagte an Sahib Nahar Singh und später auch an den Söhnen. Deshalb entschloss sich die Familie 1995, es zum Hotel umzubauen. Ein Jahr später öffnete es mit zwölf Zimmern, heute sind es 50. Jedes ein Unikat, für jedes haben die Besitzer auf ihrer Website ausführlich beschrieben, wer einst darin lebte. Das ganze Anwesen ist ein einziges lebendiges Museum.

Wer will, kann sich die Geschichte des Palastes von Bhuratna Prabha Kumari, der Witwe des vor einem Jahr verstorbenen Sahib Nahar Singhs, erzählen lassen. Jeden Abend kommt die agile 75-Jährige in den Palast, setzt sich auf ihren Lieblingsplatz und plaudert mit den Gästen und den Mitarbeitern, die die alte Dame verehren und für sie so etwas wie ein Stück Familie sind. Tagsüber hat sie dafür keine Zeit, denn da unterrichtet sie, wie schon ihr Mann, ehrenamtlich die Dorfkinder im Englischen. »Die Schulen hier auf dem Lande sind so schlecht, da will ich ein wenig helfen, dass die Kinder bessere Chancen fürs Leben bekommen«, erzählt sie. Damit führt sie das Lebenswerk ihres Mannes fort, der vor Jahren den »Shri Jashwant Trust« mit dem Ziel gründete, Geld für die Bildung von bedürftigen Kindern und die medizinische Versorgung der Armen zu sammeln. Mehr als 2200 Kindern konnte so schon geholfen werden. Auch Geld aus den Hoteleinnahmen fließt in diesen Fonds.

Bhuratna Prabha Kumari, selbst Tochter eines Maharadschas, redet gern über ihr Leben, ihre Kindheit mit Dienern und Gouvernanten, die arrangierte, aber dennoch glückliche Ehe mit ihrem Mann und vor allem über ihre Kinder und Enkel. Die beiden Söhne führen heute das Hotel, die Tochter lebt in Australien. Ja, sie vermisse sie und die Enkel am anderen Ende der Welt, »doch dank WhatsApp kann ich jeden Tag mit ihnen plaudern«. Froh ist die alte Dame, dass sie durch das Hotel Menschen aus aller Welt kennenlernt. »Wenn sie mir sagen, wie wohl sie sich hier fühlen und wie schön sie den Palast finden, macht mich das stolz und glücklich.« Zum Abschied hat sie noch einen Tipp für das Frühstück: »Kosten Sie unbedingt von der Orangenmarmelade, die koche ich selbst. Meine englische Gouvernante hat mir das beigebracht.«

Infos

Alsisar: www.alsisarmahal.com

Bikaner: www.laxminiwaspalace.com

Deogarh: www.deogarhmahal.com

Studiosus bietet von Oktober bis Dezember 2014 zwei und 2015 insgesamt sieben Studienreisen

»Rajasthan mit Flair« an, bei denen die Gäste auch in verschiedenen ehemaligen Maharadscha-Palästen übernachten.

www.studiosus.com

Literatur: »Rajasthan«, Trescher-Verlag, 2014, 19,95 €; » Iwanowski Reisehandbuch Rajasthan«, 2013, 24,95 €

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