Amoklauf und Schulstress

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Amokläufen gilt der - in der Regel jugendliche, männliche Täter - meist als sozial isolierter, waffenbesessener und videospielsüchtiger Verrückter. Der Forschungsverbund TARGET kommt in einer kürzlich veröffentlichten Studie, die vom Bundesforschungsministerium finanziert wurde (target-projekt.de), zu einem anderen Ergebnis. Zwar könne man aufgrund der geringen Anzahl von Amokläufen in Schulen »nur bedingt allgemein gültige Schlüsse ziehen«, heißt es auf spiegel.de, dennoch gebe es einige Charakteristika, die das Bild des einsamen, gemobbten Schülers korrigierten. So seien von den circa 90 Prozent der späteren Täter, die Erfahrungen mit sozialen Konflikten an der Schule aufwiesen, nur rund 50 Prozent von Schikanen betroffen gewesen. Ebenso seien 9 von 126 Amokläufern nie Opfer gewesen. In diesem Punkt divergierten laut »spiegel-online« auch die Innen- und Außensicht: 24 Prozent der Täter sähen sich nicht als Außenseiter, doch andere hätten die Täter bei fast der Hälfte aller Vorfälle »als Einzelgänger« wahrgenommen.

Bei der Untersuchung von sieben Amokläufen, die es in den letzten Jahren in Deutschland gab, zeigten sich interessante Ergebnisse. Sechs der sieben späteren Täter hätten regelmäßige soziale Kontakte gehabt und nur einer sich »komplett von Freunden und Bekannten isoliert«. Hingegen seien »massive Konflikte mit Lehrern« von nahezu der Hälfte der Täter als Indikator genannt worden. Dies sei, so die Autoren der Studie, ein bisher in der Forschung »vernachlässigter Aspekt«. Der Psychologe Herbert Scheithauer wird in der Studie wie folgt zitiert: »Anti-Mobbing-Programme sind zwar gut; aber wenn eine Schule sagt, sie wolle mit diesen Programmen gegen School Shootings vorgehen, dann reicht das eben nicht.«

Mr.Anderson meint: »Wenn ich mir die ›Merkmale‹ der Amokläufer anschaue, sehe ich wenig Unterschiede zum Otto-Normal-Schüler. Wer hatte denn keine sozialen Konflikte in der Schule, mal Zoff mit den Lehrern, unerwiderte Liebe und Hänseleien erlebt? Ich vermute schon mein Leben lang, dass da kein identifizierbares Schema hinter steckt. Das, was die Amokläufer erleben, erleben hunderttausende Schüler jeden Tag. Und Schlimmeres. Und einer unter Millionen läuft dann Amok. Den Wunsch, dieses Verhalten frühzeitig zu erkennen, verstehe ich vollkommen, nur hege ich da keine Hoffnung. Kein Erlebnis und/oder vorheriges Verhalten führt kausal zu einem Amoklauf. Unter extremem inneren Stress kommt der eine klar, der nächste tut sich selbst was an und der nächste geht auf andere los.«

Hierauf meinemeinung: »Dies würde ich als einen Teil der oft schrecklichen Realität dessen bezeichnen, was Kinder stets aufs neue erleben. Amoklauf gehört dabei zu den extremsten Folgen, die diese hat.«

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